Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)
wirrem Haarschopf und noch im Schlafanzug.
„So ein Service“, murmelte er und rieb sich durch die Haare, was diese noch mehr durcheinanderbrachte.
„Was ist ein Service?“ fragte Tom neugierig.
„Ein Fremdwort dafür, dass ihr hier den Tisch so schön deckt“, lachte Richard. „Ihr könnt auch gerne schon anfangen zu frühstücken. Ich brauche wohl etwas länger, mit rasieren und so.“
Gemächlich schlurfte er in Richtung des Badezimmers, während die Jungen begannen, sich ihre Brote zu schmieren. Schließlich, als sie noch mitten beim essen waren, erschien auch Richard, inzwischen sauber rasiert, gekämmt und in Straßenkleidung. Auch er nahm sich ein Brot und begann zu essen.
„Wann wollen wir mit der S-Bahn fahren?“, fragte Tom erwartungsvoll und schluckte den Rest seines Brotes hinunter.
„Sobald wir fertig sind“, sagte Richard. „Die S-Bahn fährt alle Viertelstunde, also kommt es auf ein paar Minuten nicht so an.“
Alle Viertelstunde! Das war ja noch öfter als die Straßenbahn. Gab es in Burgfeld denn wirklich so viele Menschen, die alle nach Hohenstadt wollten? Schnell beendete auch Finn sein Frühstück.
„Geht mal schnell noch Zähneputzen!“, befahl Richard. „Danach geht’s los!“
Eilig liefen die Kinder ins Badezimmer und schnappten sich ihre Zahnbürsten. Dann stürmten sie in den Flur und zogen sich ihre blauen Jacken an. Richard kam aus der Küche und schmunzelte.
„Schön, dass hier endlich mal wieder etwas los ist“, befand er. „Meine Enkel haben früher auch immer so einen Lärm gemacht. Inzwischen sind die schon viel älter als ihr und längst nicht mehr so laut. Manchmal vermisse ich es ja doch.“
Also war der alte Mann doch nicht so alleine. Finn freute sich. „Vielleicht bekommst du ja bald Urenkel“, schlug er vor.
„Ja, das würde mir gefallen“, lachte Richard.
Tom hörte schon nicht mehr zu. „Können wir jetzt endlich los?“ fragte er aufgeregt. Richard nickte.
„Aber natürlich, mein Junge“, sagte er.
Die S-Bahn-Station befand sich am früheren Stadtrand von Burgfeld. Dort gab es inzwischen überall Häuser, soweit man blicken konnte, und nur mit Mühe konnte sich Finn daran erinnern, wie es vor vielen Jahrzehnten hier ausgesehen hatte.
Mit großen Augen sahen sich die Kinder auf dem Bahnsteig um. Die vielen bunten Plakate, die auf eine große Plakatwand geklebt waren, kamen ihnen ziemlich ungewöhnlich vor, und auch einige der Menschen, die auf die S-Bahn warteten, welche sie gleich nach Hohenstadt bringen würde, sahen seltsam aus. Da gab es einen jungen Mann, der hatte doch tatsächlich lange Haare bis zum Po, und eine Gruppe junger Mädchen stand beieinander, zeigte sich gegenseitig etwas auf einem kleinen Gerät – einem Telefon, so ein ähnliches wie das, was Richard zu Hause hatte – und kicherte. Eines der Mädchen hatte leuchtend rote Haare, weitaus roter noch als Lucys, eher einer Tomate ähnlich, und alle trugen sehr kurze Röcke. Plötzlich musste Finn an Rosie denken. Rosie war bestimmt ungefähr so alt wie diese Mädchen, aber wie anders hatte sie doch ausgesehen, wie viel erwachsener hatte sie sich immer benommen. Und als sie so alt wie die kichernden Mädchen war, da hatte sie schon eine Stellung gehabt.
Finn fühlte einen dicken Kloß in seiner Kehle. Rosie fehlte ihm auf einmal ganz schrecklich. Ob sie wohl ein schönes Leben gehabt hatte? Vielleicht könnte man das ja irgendwie herausbekommen? Aber wenn ihr Leben nun nicht schön gewesen war? Finn schüttelte unwillig den Kopf. Nein, er wollte es gar nicht so genau wissen, entschied er.
Tom betrachtete unterdessen die Bäckerei mitten auf dem Bahnsteig. Dort gab es nicht nur einfaches Gebäck, sondern gleich fertig belegte Brötchen, mit Salatblättern, Wurst und auch noch Käse, und das alles auf einem einzigen Brötchen. Das sah lecker aus und war sicher auch praktisch. Da konnten sich die Leute, die morgens früh aufstanden und mit der Bahn nach Hohenstadt fuhren, gleich ihr Frühstück kaufen.
Richard erklärte inzwischen Jacob, wie die Fahrkarten funktionierten.
„Man muss sie nur vorzeigen, wenn ein Kontrolleur kommt“, sagte er. „Aber so häufig passiert das gar nicht. Wenn sie einen aber ohne Fahrkarte erwischen, wird es richtig teuer, dann muss man eine Strafe zahlen. Ich habe jedem von euch eine Wochenkarte gekauft. Die müsst ihr gut aufbewahren. Wenn euch die Kontrolleure ohne Fahrkarte erwischen würden, hätten wir ein ziemliches Problem.
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