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Finnen von Sinnen - Finnen von Sinnen

Titel: Finnen von Sinnen - Finnen von Sinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Eilenberger
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gestellt - es scheint sehr lange her zu sein. Aber du hast seither mehr von ihnen gesehen.«
    »Allerdings«, sagte Gabriele, »und ich nehme an, es gibt Elben und Elben. Elbisch sind sie alle, aber doch nicht alle gleich. Ob sie das Land gemacht haben oder das Land sie, ist schwer zu sagen, wenn du weißt, was ich meine. Es ist wundervoll still hier. Nichts scheint zu geschehen, und offenbar will das auch niemand. Wenn irgendein Zauber dabei ist, dann sitzt er ganz tief, wo ich sozusagen meine Hand nicht drauflegen kann.«
    »Man kann ihn überall sehen und fühlen«, sagte Rami.
    O ja, du spürst und siehst sie wirklich überall, jene fremde Kraft, die geheimnisvoll tief aus dem Inneren dieser Menschen wirkt. Und bis heute, scheint mir, ist es noch keinem Sterblichen gelungen, sich einen letzten Reim auf das Land zu machen, in dem mir meine Frau schon morgen früh einen Ring an den Finger legen wird, mit der magischen Kraft, uns beide für den Rest der Zeit aneinanderzubinden.
     
    Mit nichts als finnischen Filzpantoffeln bekleidet kreisen wir um die Feuerstelle vor der Sauna. Meine Frau summt mir elbengleiche Verse von einem Märchenland fern hinter dem Meer ins Ohr: Oi, jospa kerran sinne satumaahan kaydä vois … (Oh, wenn ich einmal wandern könnte in das Märchenland …)
    Niemals würde ich meine Liebe dann wieder verlassen. Niemals. Sondern sie fest in meinen Armen halten.

RAKKAUS - LIEBE

WO BIST DU?
    M ennäänkö , mein Mann?«
    » Mennään .«
     
    Finnisch zu sprechen ist in Wahrheit gar nicht so schwer, wie alle behaupten. Wird Ihnen beispielsweise eine Frage gestellt - was Sie leicht am abschließenden »kö« oder »ko« erkennen können -, ist es in drei Vierteln der Fälle ausreichend, die Wortfolge der Frage einfach zu wiederholen, und das »kö« am Ende zu streichen. Ymmärrämmekö? Ymmärrämme .
    Auf Dauer, das gebe ich zu, hat es natürlich enorme Vorteile zu verstehen, was da nun konkret bejaht wurde. Aber immerhin ist so ein positiver Anfang gemacht. Außerdem sind sie sehr ehrlich, die Menschen hier im Norden. Kaum ein Finne hat es darauf abgesehen, Ihnen gleich beim ersten Kontakt einen Handyvertrag anzudrehen.
     
    Mennään also. Gehen wir. Saunanackt und sicheren Schrittes führt meine finnische Frau mich durch die schattenlose

    Nacht hinab zur Hütte am See. Normalerweise, so verlangt es die Tradition, hat der Bräutigam die Nacht vor der Hochzeit an einem weit entfernten Ort zu verbringen. Aber Raimos Familie schläft im Mökki-Keller, Mike zeltet mit Freundin Mia im Vorgarten, und in sämtlichen verfügbaren Waldhütten des Landkreises wälzen sich zu dieser späten Stunde - Ryanair sei Dank - deutsche Verwandte und Freunde mit strengem Autan-Geruch in Thermoschlafsäcken. Konnte ja keiner ahnen, dass die wirklich alle kommen. Über die kulturellen Auswirkungen des Billigfliegens wird entschieden zu wenig nachgedacht.
     
    Meine finnische Frau hängt den schweren Eisenschlüssel zurück an das Rentiergeweih über der Luke. Wir kriechen in die aitta wie in eine Erdhöhle. Alle anderen Völker der Welt entledigen sich zur Nacht ihrer Kleider, nur die Finnen ziehen sich wieder an, denke ich, als meine Frau ihr Frotteenachthemd über Kopf und Körper gleiten lässt. Links bei der Brust, auf Höhe des Herzens, ist ein kleines weißes P in den Stoff gestickt: P für Pia, eigentlich aber Piukku, denn so wird meine Frau in ihrer Familie genannt. Piukku kommt von pikku , und pikku bedeutet klein. Kleine Pia also, was nicht nur eine liebevolle Verkehrung der Buchstaben, sondern vor allem der Wirklichkeit bedeutet. Piukkus Mutter - Pirkko - hat ihr dieses scharlachrote Nachthemd zum vierzehnten Geburtstag geschenkt, und erst heute fällt mir auf, dass es noch immer genau passt, meine Frau also bereits zu ihrem vierzehnten Geburtstag um die eins fünfundneunzig groß gewesen sein muss.

    Als Piukku ihren vierzehnten Geburtstag feierte, war ich gerade einmal zehn Jahre alt und besuchte die dritte Klasse der Ernst-Reuter-Grundschule in Karlsruhe. Aus dieser Zeit erinnere ich mich noch an eine große Pause, in deren Verlauf ich Miriam Dörners bester Freundin sehr deutlich zu verstehen gab, zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit Miriam gehen zu wollen, worauf ich mich, um ein wenig Abstand von diesem emotional ebenso aufwühlenden wie ermüdenden Gespräch zu gewinnen, auf eine einsame Runde durch den herbstlichen Schulpark begab und bald in eine Träumerei darüber verfiel, welches weibliche Wesen

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