Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
will sie wissen. »Wovor hast du denn Angst?«
Ein wenig zu hastig sage ich: »Vor gar nichts.«
Doch das ist eine dicke Lüge – und wie ich Angst habe! Angst vor dem, was er zu sagen hat. Ich fürchte mich vor den Worten, die er in der Mädchentoilette nicht ausgesprochen hat, die aber klar in seinen Augen standen. Und jetzt ist er gekommen, um sich endlich Luft zu machen und sie mir wie stechende Pfeile entgegenzuschleudern.
Ich trete vom Fenster weg und beobachte aus meinem Versteck heraus, wie er zum zweiten Mal klopft.
Dann höre ich ihn rufen. »Jacinda?«
Mrs Hennessey wirft ebenfalls einen Blick durch die Jalousien. »Wenn du keine Angst hast, warum versteckst du dich dann? Er schlägt dich doch nicht etwa, oder?«
»Nein. Er würde mir nie was antun!« Jedenfalls glaube ich das. Bei unserem ersten Treffen hat er es wenigstens nicht getan. Aber jetzt … Ich schnaube und vergrabe meine zitternden Hände in meinem T-Shirt.
Vorsichtig lasse ich meinen Blick durch den Garten wandern, als erwarte ich, dass seine Cousins irgendwo hinter den Büschen lauern, allzeit bereit, sich auf mich zu stürzen. Dann werfe ich einen prüfenden Blick nach oben, doch von Hubschraubern, die wie Geier kreisen, ist nichts zu sehen.
Ich muss daran denken, wie Will an dieser Klowand hing und auf mich herabstarrte. Ich bekomme seinen Gesichtsausdruck nicht mehr aus dem Kopf – diese vor Entsetzen aufgerissenen Augen. Der Schock, als er zu mir heruntersah – zu einem Mädchen, das er mochte – und ausgerechnet die Kreatur erblickte, die er von Kindheit an zu jagen gelernt hat. Diese Begegnung war so anders im Vergleich zum letzten Mal, als er mich als Draki gesehen hat. Und dieser Unterschied bereitet mir schreckliche Magenkrämpfe.
»Worauf wartest du dann noch?«, fragt Mrs Hennessey.
Darauf, dass es leichter wird – darauf, dass das Leben endlich weniger hart ist.
Ich werfe Mrs Hennessey ein unsicheres Lächeln zu und gehe nach draußen.
»Hi, Will«, sage ich leise.
Er wirbelt herum und sieht mich von oben bis unten an, als suche er nach etwas. Was denn? Hat er etwa erwartet, dass ich in voller Montur vor ihm auftauche – mit Flügeln, Feuerhaut und allem Drum und Dran?
Sein Blick gleitet über meine Schulter und mir ist klar, dass er Mrs Hennessey am Fenster gesehen hat.
»Lass uns reingehen.« Schnell laufe ich an ihm vorbei ins Gartenhaus, hinein in die eisige Kälte der Klimaanlage, die für meine dampfende Haut die reinste Wohltat ist. Nachdem Mum und Tamra aus dem Haus waren, hab ich das Thermostat niedriger eingestellt, weil ich mich so sehr nach Kühle, nach Eiseskälte auf meiner Haut gesehnt habe.
In diesem Moment, mit Will in meiner Nähe, bin ich besonders dankbar dafür.
Ich höre, wie hinter mir die Tür zuschlägt. Und dann stelle ich mich ihm endlich, mitten in unserem winzigen Wohnzimmer. Ich drehe mich um und vergrabe die Hände tief in den Taschen meiner Shorts, wobei mein Hosenbund etwas zu tief nach unten rutscht. »Solltest du nicht in der Schule sein?«
Er schaut mich durchdringend an. Seine Augen wirken so strahlend – heute scheinen sie mehr golden als braun oder grün zu sein. Sie erinnern mich an den Bernstein, den Mum verkauft hat – und der Gedanke versetzt mir einen Stich.
Will blickt mich an, als sähe er mich gerade zum ersten Mal.
Und auf eine gewisse Art ist das wohl auch der Fall.
In diesen ausdrucksvollen Augen stehen Schmerz und Verrat geschrieben. Ich bin die, die ihm das angetan hat, und ich kann mich nicht davor verstecken. Ihn verletzt zu haben, tut mir weh – mehr als ich je erwartet hätte.
»Ich hab mir heute freigenommen«, erklärt Will, als hätte ich ihn danach gefragt.
»Dein Dad lässt dich einfach so …«
»Ich frage meinen Dad nicht um Erlaubnis – so ziemlich nie. Solange ich nicht von der Schule fliege, ist ihm alles egal.« Seine Wangen wirken eingefallen. »Für ihn zählen andere Dinge.« Langsam nickt er mir zu und mir wird schlecht. »Du kannst dir bestimmt vorstellen, was ich meine.«
Jetzt verkrampft sich mein Magen so sehr, dass es wehtut. Da wären wir also – jetzt kann ich es genauso gut aussprechen und es öffentlich machen. Er weiß, dass ich Bescheid weiß.
»Das Familienunternehmen«, ergänze ich.
Grimmig presst er die Lippen aufeinander. »Ja. Der Job meiner Familie ist es, deine Familie zu jagen.«
Ich hole tief Luft – hasse es zu fragen und kann doch nicht anders: »Hast du ihnen davon erzählt?«
Er
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