Firkin 04 - Hundstage
Sprecht Ihr von der Kaiserin Tau, Herr? Herr?«
Wachtmeister Poh hob den Blick, als die Tür mit einem lauten Knall hinter Wamperts quietschenden Absätzen zufiel und selbiger auf die belebte Straße hinausstürmte.
»Die stehlen einem nur die Zeit«, brummte Poh mit einem mißbilligenden Zungenschnalzen, nahm den Federkiel wieder auf und strich die letzte Eintragung in seinem Buch. »Manche Leute lernen’s einfach nie! Man sollte es nicht für möglich halten! Weiß er denn nicht, daß wir in einer Tyrannei leben?«
Wampert rannte blindlings dahin und wich ständig imaginären Katanas aus, die rechts und links vom Himmel herabsausten, um ihn in Stücke zu schneiden.
Drei Tage! dachte er in panischer Angst, als er geduckt um eine Kutsche herumhuschte. Drei Tage, um den Star des Balles der Tyrannenvereinigung aufzutreiben. Sonst …
Als er wie ein verzagtes Nagetier, das um sein Leben rannte, in eine dunkle Gasse abbog, schlug noch eine rasiermesserscharfe Klinge aus der wildesten Ecke seiner verängstigten Phantasie auf ihn ein. Verschiedene Möglichkeiten flackerten in seinem Hirn auf und wurden verworfen: Wenn er sich versteckte, war der, der ihm Unterschlupf gewährte, dazu verurteilt, das kaiserliche Katana in die Kehle zu kriegen. Wenn er auswanderte, würde es nur wenige Stunden dauern, bis einer der zahllosen verdeckten kaiserlichen Spitzel ihn ausfindig machte. Wenn er aufgab, war er tot. Letzten Endes lief alles auf dasselbe hinaus.
Als er an einer Seitengasse vorbeihastete, zuckte plötzlich eine Hand auf ihn zu, tippte ihm auf die Schulter und zog sich schnell wieder zurück. Wampert wirbelte hastig herum, das linke Bein um den rechten Knöchel geklemmt, prallte gegen die gegenüberliegende Mauer und sank zu Boden. Die Hand, dicht gefolgt vom Rest eines schmächtigen Körpers, sauste aus der Seitengasse hervor, stürzte sich auf die lang und breit ausgestreckte Gestalt, zückte ein Messer und hielt es drohend an Wamperts Hals.
»Hab, was du brauchst«, flüsterte das kleine Wesen mit rauher Stimme, das aufgrund seiner Lauschaktion mit Wamperts Bedürfnissen wohlvertraut war.
»Du bist zu früh dran«, wimmerte Wampert, der vor Angst und Verwirrung zitterte und versuchte, sich die imaginären Katanas vom Hals zu schaffen. »Ich habe noch drei Tage Zeit.«
»Hab, was du brauchst.« Das Messer drückte fester zu.
»Nicht! Ich bin zwar nicht wählerisch, aber …«
»Komm, nimm’s mit.«
»Nein, danke. Du bist bestimmt ein ausgezeichneter Meuchler, aber …«
Die Gestalt mit dem Messer stierte Wampert vorübergehend verwirrt an, schüttelte dann den Kopf und blökte: »Zahl mir ’n guten Preis. Dann lebst du lange!«
»Ich … Ich …«
Das Gewicht auf Wamperts Brust nahm ab, als der junge Bursche mit einem Satz aufsprang und ihn hochriß, wobei es ihm irgendwie gelang, das Messer die ganze Zeit über an seiner Kehle zu belassen.
»Hast keine Wahl«, beharrte die Silhouette mit dem gezückten Messer. »Komm mit Itto.«
Wampert hatte keine Wahl.
Er ging mit und bemerkte stirnrunzelnd einen Dreckspritzer auf seinem Kimono. Was für ein Tag!
Es dauerte zwar eine Weile, aber schließlich fand Pepperl der Bayufaren-Ziegenhirte die alte Git. Sie gab sich in einem schmalen Felsspalt mit einem wilden Steinbock, der nicht mal halb so alt war wie sie, verschiedenen unerlaubten fleischlichen Genüssen hin. Nachdem Pepperl die widerspenstige Ziege mit einem dicken Knüppel und viel Hebelkraft ausgehoben hatte, trieb er den Rest der Herde zusammen, band die Tiere an einer kleinen Baumgruppe fest und eilte in die Stadt Khomun. Heute war Markttag, und wenn er sich nicht sehr täuschte, würde es ihm gelingen, Sham, dem ›echten‹ Cantrip, einem Lieferanten alter Artefakte, Schätze und exquisiter Fälschungen ein paar Schekel abzuschwatzen.
In einem Gewusel dunkler Nebenstraßen duckte sich Hunderte Fuß unter den sandgestrahlten Spitzen zahlloser uralter Minarette das von Teppichen wimmelnde Chaos des Khomuner Marktes. Seit Jahrhunderten feilschten und hökerten hier im Dunst von allerlei Räucherdüften lautstark Händler, während die Kamele hinter ihnen müßig Tabak kauten. Und seit offenbar ebenso langer Zeit verlieh Sham Cantrip mit Bedacht einer unerschöpflichen Flut echte dreitausend Jahre alter Wunderlampen den letzten Schliff. Auch heute war es nicht anders. Um ihn herum lagen Stapel nagelneuer altertümlicher Manuskripte, Kisten mit behauenen Marmorfriesen (aus feinstem Kalkstein,
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