Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive
bleiben.
»Entschuldigung«, sage ich.
»Entschuldigung wofür.«
»Ich weiß nicht, für letztes Mal. Und für diesen Ort hier. Es ist nicht gerade toll hier.«
»Aber nein, das stimmt doch gar nicht. Ich finde es sehr interessant hier. Es gibt haufenweise Sachen, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel das da, was ist das?«
»Was? Das hier?«
»Nein, das da oben. Sieht aus wie ein Minischlafsack.«
»Ach so. Das ist eine Luftmatratze für Karpfen.«
»Eine was …?«
»Eine Luftmatratze für Karpfen.«
»Das ist nicht dein Ernst.«
»Ich schwör’s. Schau, es funktioniert so: Du faltest sie auseinander und bläst sie auf, und wenn du einen Karpfen gefangen hast, legst du ihn drauf. Spürst du, wie weich und glatt sie ist? Am Boden würde sich der Fisch an den Steinen und Ästen verletzen.«
»Ach komm.«
»Nein, das ist so, ich schwör’s dir.«
»Aber was soll das, entschuldige bitte, du tötest ihn doch sowieso.«
»Wer redet vom Töten? Als Erstes entfernst du vorsichtig den Haken aus dem Maul und hältst dabei den Karpfen ins Wasser, damit er keinen Hitzeschock erleidet, dann legst du ihn auf die Luftmatratze und tauchst ihn immer wieder unter, bis er zu atmen beginnt. Du darfst ihn aber nicht loslassen, er ist vom Kampf geschwächt und muss sich erst erholen. Du hilfst ihm dann bei den ersten Schwimmstößen, gibst ihm kleine Schubse, und wenn er mit genügend Sauerstoff versorgt ist, sucht er von selbst das Weite.«
Mit dem Arm imitiere ich die Wellenbewegung des davonschwimmenden Fischs. Mit dem guten Arm.
»Bist du ganz sicher, dass du mich nicht verarschst?«
»Ich sag doch, ich schwör’s.«
»Und ich dachte immer, die Angler essen die Fische.«
»Wer isst denn einen Karpfen! Also weißt du, wir sprechen von einem Tier, das im modrigen, stinkenden Schlamm eines Kanals lebt, wo sich die Jauche von den Feldern sammelt und sich Frösche und Ratten tummeln. Würdest du so was essen wollen? Da kannst du gleich ein Gläschen Abflusswasser dazu trinken, und alles wäre bestens.«
Tiziana lacht, und gleich ist auch mir danach zumute.
»Wie eklig«, sagt sie. Sie streckt die Zunge raus und macht: »Bäääääh.« Und ich ebenso. »Bäääääh.«
Es läuft alles wie geschmiert.
Ich bin schon um einiges weitergekommen seit dem »Ciao« am Anfang. Ich fühle mich locker und ungezwungen. Tiziana ist nicht gekommen, um mich einen Mistkerl zu schimpfen, der vorgibt, zwei Hände zu haben, sie scheint nicht mal sauer auf mich zu sein. Wir lachen zusammen und sagen kluge Sachen und albern herum, besser kann’s wirklich nicht laufen.
Doch dann kommt Mazinga.
»HEY-FIORENZINO!«, brüllt er in voller Lautstärke.
Er trägt eine Glitzerweste, die aussieht wie billigstes Plastik, und eine weiße Hose mit sehr tiefem Schritt. Er tritt zu mir an den Ladentisch und verpasst mir einen Klaps auf den Hinterkopf. Wenn seine Kumpels nicht dabei sind, ist er also wieder ganz der Alte. Mir wäre allerdings die kühle und distanzierte Art lieber: Guten Tag, ich nehme das da. Hier bitte, das Geld. Danke sehr, schönen Abend .
»HEY-STÖRE-ICH?« Er sieht mich an, dann Tiziana. Und grinst dabei wie ein Idiot.
»Nein, nein«, sagt sie. »Guten Tag, Signor …«
»MAZZANTI-DONATO-FREUT-MICH-SIE … O-GOTT-SIE-SIND-ES-JA-SIGNORINA-AUSSERHALB-DER-BAR-HABE-ICH-SIE-GAR-NICHT-ERKANNT.«
»Es ist keine Bar, es ist ein Büro, aber das macht nichts. Guten Tag.«
»HABEN-SIE-GESEHEN-DASS-WIR-IN-DER-ZEITUNG-SIND?«
»Wie bitte? Nein … Wer ist in der Zeitung?«
»WIR!-AUF-DER-TITELSEITE-DER-CRONACA-ITALIANA … ICH-BRING-SIE-IHNEN-NACHHER-IN-DIE-BAR-DANN-KÖNNEN-SIE-SELBST-SEHEN …«
»Also, Donato, sagen Sie schon, was kann ich Ihnen geben?«, frage ich. »Sonst sind die Meeräschen alle rausgefischt.«
»JA-JA-DU-HAST-RECHT-ICH-BRAUCHE-EIN-WENIG-VON-DEM ANGELTEIG.«
Bei dem Wort krieg ich sofort eine Gänsehaut. Angelteig. Ich hatte kurz die Hoffnung, dass er einen weniger blutrünstigen Wunsch äußert, hätte es aber wissen müssen. Diese alten Angler haben eine grausame, gnadenlose Zeit kennengelernt, die gehen nicht zum Angeln, um sich zu entspannen, das tun sie den lieben langen Tag. Wenn sie angeln, wollen sie Blut sehen.
Ich frage ihn, was für eine Teigmischung er möchte, da komme ich nicht drum herum.
»KÄSE-ODER-MAIS-IST-MIR-EGAL-HAUPTSACHE-VIEL-BLUT-BLUT-VON-SARDINEN-UND-SARDINENSTÜCKCHEN-OCHSENBLUT-WENN-DU-HAST.«
Ich werfe Tiziana einen
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