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Fischer, wie tief ist das Wasser

Fischer, wie tief ist das Wasser

Titel: Fischer, wie tief ist das Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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hatte, keine Abhilfe schaffen. Ich war nervös.Zwar war er schon so oft weg gewesen und es waren eigentlich immer die schönsten Momente zwischen ihm und mir, wenn wir uns endlich wieder sahen. Aber ich war ausgezogen. Und obwohl er wusste, wo er mich finden konnte, hatte er sich nicht bei mir gemeldet.
    Ich stieg die Treppenstufen langsam hinauf und hielt meinen Schlüssel zögernd in der Hand. Er würde mich sicher fragen, wie es mir ging. Was sollte ich ihm sagen?
    «Alles bestens, Papa. Tolle Kinder, ein Superjob, gemütliche Wohnung.»
    Er würde schon bei den ersten Silben erkennen, dass ich nicht ganz die Wahrheit sagte. So etwas merkte mein Vater sehr schnell, auch wenn er mich selten sah. Er sagte, dass mich eine steile Falte zwischen den Augen verraten würde, wenn ich log. Bei meiner Mutter wäre es genauso gewesen.
    «Es ist ganz o.   k., Papa. Die Kinder sind toll, der Job ist super und die Wohnung gemütlich, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass etwas verkehrt läuft bei Liekedeler.»
    So etwas in der Art würde ich sagen müssen. Und dann kämen Fragen. Ich kannte meinen Vater, er war Journalist und er war wissbegierig. Er würde nachbohren, nach den Ursachen für mein ungutes Gefühl fahnden. Und dann müsste ich ihm erzählen, dass ein kleines Mädchen beim Spielen zu Tode gekommen war. Und dass man mich merkwürdig scharf in meine Grenzen verwiesen hatte, als ich mir Sorgen um einen verängstigten Jungen machte. Mein erstes Projekt mit dem Filmteam schien wegen mangelnder Hauptdarsteller den Bach runterzugehen. Und dass die zwölfjährige Gesa Boomgarden mich vermutlich hasste und mir das Leben schwer machte, indem sie den Kollegen intriganten Unsinn erzählte.
    Genau das würde ich ihm erzählen müssen. Es waren keine tollenGeschichten über meinen grandiosen Neuanfang, wegen dem ich ihn und Ben so Hals über Kopf verlassen hatte.
    Ich war schon fast an der Wohnungstür angelangt, hörte bereits die Musik aus dem Küchenradio dudeln, da drehte ich um.
    Nicht heute. Nicht jetzt.
    Er sollte nicht merken, dass es mir nicht gut ging. Ich würde wiederkommen, wenn sich alles zum Guten gewandt hatte.
    In ein paar Tagen. Heute war Mittwoch. Vielleicht am Sonntag. Ja, am Sonntag war sicher wieder alles in Ordnung.
     
    Als Veronika Schewe an diesem Abend endlich die Bürotür hinter sich schloss und in die schmeichelnd warme Dämmerung trat, da tat es ihr Leid, dass es schon so spät war und sie nichts von dem herrlichen Tag heute gehabt hatte. Sie trank eigentlich nie Alkohol, weil sie ihren klaren Verstand liebte. Trotzdem hatte sie vorhin an ihrem Schreibtisch einen Schluck von dem Cognac getrunken, den sie eigentlich für Besuch gedacht und weit hinten im Vitrinenschrank verstaut hatte. Das ungewohnt satte Flackern im Hals hatte ihr gut getan. Es hatte ein wenig von dem Unbehagen fortgespült, das ihr seit dem Tod der kleinen Jolanda Pietrowska auf den Magen geschlagen war und ihr das Durchatmen unmöglich gemacht hatte.
    Auch jetzt, wo sie einen kurzen Moment vor dem roten Schulgebäude stehen blieb und die Milde des Abends in sich aufnehmen wollte, war ihr Hals wie zugeschnürt.
    Sie hatte gehofft, dass man die Kinderleiche lediglich hübsch anziehen und frisieren würde. Alle Zeichen standen auf Unfalltod, dachte Veronika Schewe. Es gab Zeugen, es gab eine sichtbare Wunde am Hinterkopf, sie hatte wirklich gehofft, dass diese Indizien für einen reibungslosen Ablauf genügten. Doch heute Morgen hatte sie erfahren, dass die Leiche in die Gerichtsmedizinnach Oldenburg überstellt worden war. Und das war schlimm.
    Es bestand natürlich die Möglichkeit, dass die Pathologen nicht gründlich waren, dass sie sich vom zerschmetterten Schädel des Mädchens beeindrucken ließen und nicht weiter suchten, ob auch eine andere Todesursache infrage kam. Doch es war kein wirklicher Grund zur Hoffnung. Dr.   Schewe wusste, dass insbesondere bei kleinen Kindern nur sehr selten geschlampt wurde. Es konnte also passieren, dass sie etwas anderes fanden. Etwas, das im Gehirn eines elfjährigen Mädchens nichts zu suchen hatte. Etwas, das ungewöhnlich, für Neurologen wahrscheinlich sogar ungewöhnlich faszinierend war. Und dann würden Fragen laut werden, die dieses Phänomen zu erklären versuchten.
    Dr.   Schewe seufzte und ging die wenigen Steinstufen hinunter bis zu ihrem Wagen. Heute würde ich gern einmal davonfahren, dachte sie.
    Sie war allein. Sie könnte es tun. Ihr Wagen war schnell und in ihrer

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