Fisherman's Friend in meiner Koje - Gier, K: Fisherman's Friend in meiner Koje
verschwand.
Das Rouge klebte ihm immer noch an Wangen und Kinn und würde es Ute eventuell erleichtern, ihn in Gnaden wieder aufzunehmen.
So viel also zu Mick. Friede seiner Asche!
Bille war über die Wirkung seines Besuches so aufgeregt, dass sie nicht in der Lage war, mit mir über Stefan zu reden.
»Da ist doch gar nichts Konkretes«, sagte sie. »Der weiß ja nicht mal was von seinem Glück, der alte Drogendealer.«
Letzteres hatte sie ironisch gemeint, sie weigerte sich nach wie vor hartnäckig, meiner Theorie Glauben zu schenken. Die Bezeichnung Drogendealer hatte ja auch irgendwie einen hässlichen Beigeschmack, genau wie die Tatsache, dass Leute wie Stefan das Leben von Leuten wie Mick ruinierten. In den drei Wochen, in denen ich auf Gran Canaria allein in der Hängematte vor mich hin geträumt hatte, war mir klargeworden, dass Stefan kein gewöhnlicher Verbrecher sein konnte, sondern eine Art moderner Pirat, mutig und verwegen. An seiner Seite würde das Leben ein einziges Abenteuer werden.
Aber davon wollte Bille nichts hören.
»Pure Spekulationen langweilen mich«, sagte sie und fing wieder von Burghart an, dessen zweiter Vorname bekanntlich Langeweile war.
Ich sah ein, dass ich sie im Augenblick mit meinen eigenen Angelegenheiten überforderte, und fuhr nach Hause. Dort überkam mich eine Art Jetlag. Ich schaffte es gerade noch, meine Haare zu tönen, zum Kofferauspacken oder Aufräumen hatte ich einfach keine Energie mehr.
Am Morgen danach rief der Journalist von der Stadtillustrierte an, mit dem Mo einen Interviewtermin vereinbart hatte.
»Ich wollte nur sagen, ich fahre jetzt los und könnte so in einer halben Stunde bei Ihnen sein«, sagte er.
»Was, heute ?«, fragte ich gedehnt. Ich hatte gedacht, der Termin sei erst nächste Woche.
»Mir fehlt nur noch eine Wegbeschreibung. Ich bin nämlich Neukölner«, sagte der Mann.
»Ja, also, da fahren Sie am besten …« Was hatte er gesagt, wann er da sein könne? In einer halben Stunde?
Ich sah mich um. Hier sah es entsetzlich aus. Dreckige Wäsche türmte sich überall in der Wohnung, das letzte Mal Staubsaugen lag mehrere Wochen zurück, ebenso der letzte Abwasch. Fenster geputzt hatte ich irgendwann im letzten Sommer. Im Badezimmer klebte die Zahnpasta zentimeterdick im Waschbecken, und das Klo konnte auch nur jemand benutzen, der’s mit der Hygiene nicht so genau nahm.
In einer halben Stunde war das Chaos unmöglich zu beseitigen. Und dann – was würden dann die Millionen und Abermillionen von Lesern von mir denken?
»Äh«, sagte ich und überlegte fieberhaft. Dann kam mir die geniale Idee schlechthin.
»Also, dann fahren Sie am besten von der Inneren Kanalstraße links … äh, rechts … äh, also stadtauswärts, biegen hinter dem Kaufhof links …äh, rechts … äh, in die Florastraße. Da ist es dann die Hausnummer dreiundzwanzig. Zweite Klingel von unten.«
»Ich dachte, Sie wohnen in der Antwerpener Straße?«
Das tat ich auch. In der Florastraße wohnte Bille. Und deren Wohnung war garantiert aufgeräumt. Mit dem Fahrrad konnte ich in zwanzig Minuten da sein.
»Nein, das muss ein Missverständnis gewesen sein«, sagte ich. »Florastraße 23, in einer halben Stunde.«
Ich warf den Hörer auf die Gabel, schnappte mir die nächstbeste Marionette, stopfte sie in meinen Rucksack und raste die Treppe runter. Genau siebzehn Minuten später warf ich mein Fahrrad bei Bille in den Hinterhof und hechtete schweißüberströmt in den zweiten Stock. Welch ein Segen, dass ich ihren Wohnungsschlüssel besaß! Für alle Fälle und für die Blumenpflege, wenn sie in Urlaub war. Dies hier war ›alle Fälle‹, ein Notfall – Bille hatte sicher nichts dagegen, dass ich ihre Wohnung vorübergehend als die meine ausgab.
Wie erwartet sah es bei ihr wie geleckt aus, die Fenster blinkten vor Sauberkeit, der Fußboden war vollkommen fusselfrei. Im Schlafzimmer war sogar das Bett frisch überzogen. Der hellgraue, flauschige Velourteppichboden sah aus, als hätte Mick, die bekiffte Maus, niemals Korn, aufgelöste Baldrianpillen und weiß der Himmel was noch alles draufgekotzt.
Billes Wohnung war perfekt gestylt, sparsam möbliert, hier eine restaurierte Weichholzkommode, dort eine noble Corbusier-Liege, die Wände weiß und jungfräulich. Die Frau hatte Geschmack, wenn auch einen ganz anderen als ich.
Aber leider hatte Burghart einen besonders miesen Geschmack, und der hatte in Billes Wohnung seine Spuren hinterlassen wie auch überall sonst
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