Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
Einfall es ist, in eine bestimmte Richtung zu laufen, und bestärkt sie dann noch in dem löblichen Tun. Zu meinem eigenen Vergnügen malte ich mir aus, wie Nachtauge diese vierbeinigen Wollknäuel auf Trab gebracht haben würde, doch allein schon mein Gedanke an einen Wolf veranlasste einige von ihnen, plötzlich stehenzubleiben und sich verstört nach allen Seiten umzublicken. Ich ermunterte sie, den anderen zu folgen, um nicht allein zurückzubleiben, worauf sie wie aus einem Tagtraum erwachend zusammenzuckten und sich beeilten, Anschluss an die Herde zu finden.
Damon hatte mir eine ungefähre Wegbeschreibung gegeben und einen langen Stock. Ich betreute die Flanken der Herde und die Nachhut und musste viel laufen, während Damon selbst an der Spitze ging und verhinderte, dass sich die Herde an jeder Einmündung zerstreute. Er brachte uns zu einem Platz außerhalb der Stadt, und wir trieben die Schafe in einen der baufälligen Pferche dort. In einem anderen Gatter stand ein prachtvoller roter Stier, und auf einer kleinen Koppel wanderten sechs Pferde umher. Nachdem wir wieder zu Atem gekommen waren, berichtete Damon, dass sich morgen hier ein Viehtreck zum Blauen See sammeln würde. Er hatte diese Schafe erst tags zuvor gekauft und wollte sie zur Blutauffrischung seiner eignen Herde mit nach Haus nehmen. Ich fragte ihn, ob er vielleicht noch einen zweiten Hirten brauchte, worauf er mich prüfend musterte, eine Antwort jedoch schuldig blieb.
Er hielt sein Wort, was das Frühstück anging. Es gab Haferbrei und Milch, einfache Kost, die mir herrlich mundete. Aufgetischt wurde uns von einer Frau, die ganz in der Nähe in einer Hütte als Aufseherin wohnte und ihren Lebensunterhalt damit verdiente, dass sie auf die Tiere in den Pferchen aufpasste und auch Mahlzeiten und Unterkunft für die Knechte und Viehtreiber bereithielt. Während des Essens setzte Damon mir umständlich auseinander, dass er tatsächlich noch einen oder zwei Helfer für die Reise gebrauchen könne, aber am Schnitt meiner Kleider sei zu erkennen, dass ich nicht die nötigen Kenntnisse für eine solche Tätigkeit mitbrächte. Heute Morgen hätte er mich nur genommen, weil ich der Einzige war, der richtig wach und arbeitswillig zu sein schien. Ich erzählte ihm meine Geschichte von der herzlosen Schwester und versicherte ihm, ich hätte durchaus Erfahrung im Umgang mit Schafen, Pferden und Rindern. Nach langem Hin und Her entschied er sich, es doch mit mir zu versuchen. Wir einigten uns darauf, dass er unterwegs für meine Verpflegung sorgen würde und mir am Ende der Reise zehn Silberstücke zahlte. Er stellte mir frei, in die Stadt zurückzugehen, mein Gepäck zu holen und mich zu verabschieden, doch falls ich dann bis zum Abend nicht wieder zur Stelle sei, würde er sich einen anderen Helfer suchen.
»Ich habe kein Gepäck und niemanden, von dem ich mich verabschieden müsste«, antwortete ich. Nach allem, was ich in der letzten Nacht erfahren hatte, wäre ich am liebsten gleich jetzt aufgebrochen, um eine möglichst große Entfernung zwischen mich und Edels Häscher zu legen.
Im ersten Augenblick sah Damon bestürzt aus, dann schien er damit doch recht zufrieden zu sein. »Nun, ich meinerseits muss mich doch um beides kümmern, deshalb überlasse ich es dir, die Schafe zu versorgen. Sie müssen getränkt werden. Das war ein Grund, weshalb ich sie erst in die städtischen Pferche gebracht habe, dort gibt es eine Pumpe. Aber ich wollte sie nicht in der Nähe der kranken Tiere lassen. Du bringst ihnen Wasser, und ich schicke jemanden mit Heu. Füttere sie ordentlich. Und nun gib acht: Ich möchte, dass wir uns von Anfang an gleich richtig verstehen...« Und so ging es weiter und weiter, endlose Anweisungen über das Tränken der Schafe und in wie viele Haufen ich das Heu aufteilen sollte, damit jedes Tier seinen Anteil bekam. Im Grunde genommen konnte man es ihm nicht verübeln. Ich sah nicht aus wie ein Schafhirte, trotzdem vermisste ich bei der Arbeit Burrichs stillschweigende Anerkennung, dass ich meine Arbeit verstand und sie auch ordentlich tat. Schon im Gehen, wandte Damon sich noch einmal zu mir um. »Und dein Name, Junge?«
»Tom«, antwortete ich nach kurzem Zögern. Philia hatte zu Anfang unserer Bekanntschaft erwogen, mich so zu nennen, bevor ich den Namen FitzChivalric angenommen hatte.
In mühseliger Entfernung von den Pferchen gab es ein Brunnenloch, und der Eimer hatte ein sehr langes Seil. Ich musste tüchtig arbeiten, um den
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