Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
Soldaten gingen dort bereits am oberen Rand in Stellung. Für diesen Zweck waren die Truppen also bestimmt gewesen. Nicht um Veritas zu fangen, sondern um den Steinbruch einzunehmen und diese Stellung zu halten. Erneut wurde ich von Scham und Verzweiflung gepackt. Dann hob ich das Schwert und stürzte mich auf Will. Ihn wenigstens würde ich töten können.
    Ein Pfeil schlitterte dort, wo ich gestanden hatte, über den Felsboden, und ein zweiter rutschte zwischen Nachtauges Läufen hindurch. Dann erhob sich von der Kante des Steinbruchs westlich von uns ein Aufschrei. Die Drachenreiterin schwebte mit ihrem Drachen über mich hinweg. Der Narr saß mit auf dem Rücken des Drachen, der einen Soldaten im braun-goldenen Waffenrock zwischen den Zähnen hatte. Dann war der Mann plötzlich verschwunden, und eine Rauch- oder Dampfwolke verwehte im Luftzug seiner Schwingen. Der Drache beschrieb einen Halbkreis, strich tief über dem Boden dahin und griff sich einen zweiten Bogenschützen, während ein anderer vor lauter Angst in die Tiefe sprang. Erneut stob eine Rauchwolke auf.
    Wir am Grunde des Steinbruchs, ob Freund oder Feind, standen da wie gelähmt und starrten den Himmel hinauf. Will fasste sich schneller als ich und stieß einen zornigen Befehl an seine Bogenschützen aus. »Schießt auf sie! Holt sie herunter!«
    Augenblicklich schnellte dem Drachen eine Phalanx von Pfeilen entgegen. Einige neigten sich und fielen zu Boden, ohne ihn auch nur erreicht zu haben, der übrigen erwehrte er sich mit einem einzigen Schlag seiner Schwingen. Die plötzliche Bö brachte die Pfeile aus der Bahn. Sie trudelten wie Strohhalme in die Tiefe und zersplitterten auf dem felsigen Boden der Schlucht. Dann beschrieb der Drache einen engen Bogen und kam geradewegs auf Will zugeflogen.
    Er floh. Ich denke, er war wenigstens so lange vom Zugriff Edels befreit, wie er brauchte, um diese Entscheidung zu treffen. Er lief um sein Leben, und nur für kurze Zeit sah es aus, als verfolge er den Wolf, der den Zirkel fast erreicht hatte. Doch in dem Augenblick, als der Zirkel merkte, dass Will mit einem gewaltigen Drachen im Genick in ihre Richtung flüchtete, machten sie alle auf dem Absatz kehrt und ergriffen ebenfalls die Flucht. Ich erhaschte einen kurzen Sinneseindruck von Nachtauges Triumphgefühl, dass zwölf mit Schwertern bewaffnete Männer es nicht mit ihm aufzunehmen wagten, dann drückte er sich fest auf den Boden, als die Drachenreiterin mit ihrem Drachen im Tiefflug über uns hinwegsauste.
    Es war nicht nur der scharfe Wind ihres Vorüberfliegens, den ich spürte, sondern ein betäubender Sog der Gabe, der mir augenblicklich alle Gedanken raubte. Als wäre die Welt einen Atemzug lang in völlige Dunkelheit getaucht und mir dann hell und farbig wiedergegeben worden. Ich stolperte mitten im Lauf und konnte mich einen Moment lang nicht daran erinnern, weshalb ich ein gezogenes Schwert in der Hand hielt oder wen ich verfolgte. Vor mir stockte Wills Schritt, als der Schatten über ihn hinwegglitt, und danach taumelten die Mitglieder des Zirkels umher, als wüssten sie plötzlich nicht mehr wohin.
    Die Fänge des Drachens griffen ins Leere. Will hatte sich zwischen die verstreuten Steinblöcke geflüchtet, und die Spannweite ihrer Schwingen hinderte sie daran, ihm in das Labyrinth zu folgen. Vom Drachen kam ein wütender Aufschrei der Enttäuschung, der wie der helle und wilde Jagdruf eines Falken klang, dem die Beute entkommen ist; dann schwang sich der Drache höher hinauf und legte die Flügel an, um ein zweites Mal auf Will hinabzustoßen. Mir verschlug es den Atem, als der Drache genau in eine Wolke aus Pfeilen hineinflog. Sie prallten klappernd an seiner Schuppenhaut ab, als hätten die Bogenschützen statt ihm den schwarzen Fels des Steinbruchs zum Ziel genommen. Nur der Narr duckte sich. Dann wechselte der Drache plötzlich die Richtung, um tief über die Soldaten hinwegzustreichen und sich ein weiteres Opfer zu greifen.
    Wieder glitt sein Schatten über mich hinweg, und wieder fühlte ich, wie mir ein Augenblick meines Lebens gestohlen wurde. Als ich die Augen wieder öffnete, war Will verschwunden. Dann sah ich ihn ganz kurz, wie er kreuz und quer zwischen den Quadern umherlief, ganz so wie ein Hase hakenschlagend dem Falken zu entkommen sucht. Der Zirkel war nirgends mehr zu entdecken; aber plötzlich löste sich Nachtauge aus dem Schatten eines Felsblocks und lief neben mir her.
    O mein Bruder, der Geruchlose jagt gut!,

Weitere Kostenlose Bücher