Five Stars 02 - Wildes Verlangen
unter dem weißen T-Shirt abzeichneten, auf regelmäßiges Training hin.
»Bei diesem Absturz wurde neben anderen, schwerwiegenden Verletzungen, die aber inzwischen vollständig ausgeheilt sind, seine linke Niere derart gequetscht, dass sie entfernt werden musste. An und für sich wäre das kein Problem, leider wurde aber auch die rechte Niere in Mitleidenschaft gezogen.«
In meinem Kopf rasten die Gedanken und ich versuchte, mein verschüttetes Wissen über die Funktionsweise und Bedeutung der menschlichen Organe freizuschaufeln. »Heißt das … «, fragte ich, ohne genau zu wissen, um was es ging.
»Eigentlich sah alles gut aus, aber vor ein paar Wochen ließ die Funktion dieser Niere plötzlich rapide nach. Der Prozess beschleunigte sich zusehends und seit einer Woche ist die Funktion des Organs derart eingeschränkt, dass wir mit der Dialyse beginnen mussten.«
Ich schaute so ratlos und fragend, dass der Doktor sofort begann zu erklären. »Das umgangssprachliche Wort ist Blutwäsche und das trifft es recht genau. Wir leiten Daniels Blut durch eine Maschine, welche die Arbeit der Niere übernimmt, das Blut zu reinigen.«
»Er muss also ständig an dieses Gerät angeschlossen sein?«
»Nein, nur alle drei Tage für mehrere Stunden. Allerdings … .«
Mattis machte eine Pause und musterte mich über den Rand der Kaffeetasse, als wolle er prüfen, ob ich in der Lage war, die Nachricht zu ertragen.
»Die Dialyse ist trotz allen Fortschritts eine sehr belastende Behandlung und das nicht nur für den Körper, sondern vor allem für die Seele.«
Ich wusste sofort, was er meinte. Daniel war die Unabhängigkeit in Person, er konnte es mit Sicherheit nur schwer ertragen, voll und ganz von einer Maschine abhängig zu sein. Mattis bestätigte meinen Gedanken.
»Daniel wehrt sich gegen die Behandlung.«
»Heißt das … ?« Ich wagte es nicht, den Gedanken zu Ende zu führen.
»Nein«, antwortete der Doktor und ich erkannte das Bemühen, so beruhigend wie möglich zu klingen. »Er lässt es zu, an die Maschine angeschlossen zu werden.« Er fuhr sich mit einer fahrigen Geste durchs Haar und setzte matt hinzu: »Noch.«
»Was kann ich tun?«
»Wenn überhaupt, können Sie ihn dazu bringen, die Dialyse zu akzeptieren. Wenn wir Glück haben, ist sie nur eine kurze Übergangslösung.«
»Sie meinen eine Transplantation?«
Der Doktor nickte. »Allerdings kann es durchaus einige Zeit dauern, bis wir eine passende Spenderniere gefunden haben.«
»Wie lange«, fragte ich atemlos und heftete meine Augen auf Mattis’ Hände, die nervös auf der Armlehne des Sofas trommelten.
»Ein paar Monate, wenn wir Glück haben. Wenn es schlecht läuft, auch ein paar Jahre.«
Ich schluckte, sagte aber nichts. Länger als ein paar Wochen würde Daniel es nicht ertragen, sein Leben vollständig auf eine Maschine ausrichten zu müssen. Er brauchte die Freiheit, zu gehen, wohin er wollte und zu tun, wonach ihm gerade war. Das war Leben für ihn, alles andere bedeutete Siechtum und Tod. Ich erschrak bei dem Gedanken und wischte ihn beiseite. Wenn ich Daniel helfen wollte, musste ich stark sein und an das Leben glauben. Der Doktor spürte meine Niedergeschlagenheit und nahm meine Hand.
»Es ist nicht so schlimm, wie Sie denken, Violetta - ich darf Sie doch so nennen?« Lächelnd nickte ich ihm zu und er fuhr fort. »Daniel hat viel durchgemacht, aber jetzt ist er zumindest körperlich über den Berg. Er muss auch nicht im Krankenhaus bleiben, sonder kann sich eine Wohnung in der Stadt nehmen und auch verreisen, wenn es dort, wohin er geht, eine Dialysepraxis gibt. Ich habe Patienten, die seit Jahrzehnten trotz der Maschine ein erfülltes Leben führen.«
»Aber Daniel … .« Mattis hob die Hand und ließ mich nicht weitersprechen. »Ich weiß, Violetta. Aber vielleicht haben wir ja Glück und es steht schon bald eine passende Spenderniere zur Verfügung. Wenn Daniel jetzt aufgibt, lässt er diese Chance aus und ich finde, er sollte dem Schicksal die Gelegenheit geben, zu beweisen, dass es gut zu ihm ist.«
Er ließ meine Hand los und stand auf. »Kommen Sie, es ist Zeit, Daniel wird schon auf Sie warten.«
Sechzehn
Als Oskar Mattis nach leisem, nicht beantwortetem Klopfen die Tür zu Daniels Zimmer öffnete, verschlug es mir für eine Sekunde den Atem. Ich hatte ein typisches Krankenzimmer erwartet, funktional, steril, weiß. Stattdessen betrat ich eine Art Wohn-Schlaf-Zimmer. Das Bett war breit und lediglich das
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