Five Stars - Gefaehrliche Versuchung
Ding. Als hätte er meine Gedanken gelesen, hakte er nach: »Lassen Sie einfach Ihre Fantasie spielen. Sind Sie eher der sesshafte Typ, der ein Nest baut und dann dort für lange Zeit verweilt, oder steckt in Ihnen doch ein unsteter Geist?«
Was bezweckte er nur mit dieser Frage? In meinem Kopf drehte sich alles. Ich durfte nichts mehr trinken und nahm trotzdem das Glas und zog am Strohhalm. Am besten antwortete ich einfach ehrlich. »Ich weiß es nicht. Bisher musste ich mir darüber nie Gedanken machen. Mein Leben war ... .« Ich stockte. Wie sollte ich beschreiben, was mir bis heute widerfahren war? Als langweilig? Vielleicht. Ich war vor ein paar Wochen vierundzwanzig geworden und hatte genau genommen noch nicht viel erlebt. Schule, Studium, Praktikum, dazwischen ein paar Reisen mit Freunden nach Italien und Griechenland. Zum großen Ausbruch hatte mir immer der Mut gefehlt. Nicht, dass ich nicht manchmal davon geträumt hatte, einfach alles hinter mir zu lassen und in die Fremde zu gehen. Zum Schluss war ich aber immer froh, wenn ich Abenteuer nur im Kinosessel erleben musste. Oder doch nicht? Dieses Gespräch machte mich ganz zappelig.p
»Kurz«, sagte Daniel unvermittelt.
»Bitte?«, fragte ich.
»Ihr Leben, es war kurz«, erläuterte er und ließ wieder dieses Lachen erklingen, dass Energiewellen in meinem Körper erzeugte, die mich auf dem Hocker hin- und herrutschen ließen. »Sie sind noch so jung!«
»Das ist relativ«, entgegnete ich und versuchte, meine Unruhe in den Griff zu bekommen. »Für eine Praktikantin bin ich schon ganz schön alt. Es wäre an der Zeit, dass ich einen vernünftigen Job bekäme.«
»Wie viel wären Sie bereit, dafür zu tun?«
Fast hätte ich »alles« geantwortet, beließ es dann aber bei einem »das kommt darauf an.«
Daniel ließ nicht locker. »Worauf?«
»Auf den Job natürlich, auf die Perspektiven, auf die Möglichkeiten, die sich mir eröffnen.«
»Finden Sie nicht, das klingt ein bisschen zu vernünftig für eine vierundzwanzigjährige, unabhängige Dame?«
Daniel schaute mich nachdenklich an und ich hatte das Gefühl, dass er direkt in mein Innerstes sah. Als säße ich nackt vor ihm, dachte ich und der Gedanke, ihm ungeschützt ausgeliefert zu sein, machte mir keine Angst. »Welche Antwort hätten Sie denn erwartet?« fragte ich und wusste, dass ich mich auf ein gefährliches Terrain begab. Daniel hob das Glas und trank den letzten Schluck seines Martinis. »Es kommt nicht darauf an, was ich erwarte, Violetta. Wichtig ist nur, was Sie mit Ihrem Leben anfangen wollen. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt, alle Einschränkungen existieren nur in ihrem Kopf. Wirklichkeit wird nur das, was Sie tun.«
Der letzte Satz traf etwas in mir, als würde bei einem Instrument eine bisher nie berührte Saite zum ersten Mal angeschlagen. Ich schloss die Augen und hatte augenblicklich das Gefühl, auf einem Karussell zu sitzen. »Hoppla«, sagte Daniel und hielt mich an beiden Oberarmen fest. Anscheinend hatte ich bedrohlich auf meinem schmalen Sitz geschwankt. »Vielleicht sollten wir dieses Gespräch lieber morgen fortsetzen. Es ist auch schon spät.«
Tatsächlich waren wir die Einzigen im Restaurant. Nein, nicht ganz, Katja saß noch an ihrem Tisch und ich sah ihre Augen wie die einer Katze aufblitzen. Sie hatte uns die ganze Zeit beobachtet. Was soll’s, dachte ich. Es ist ohnehin egal, was sie von mir denkt. Vorsichtig ließ ich mich vom Stuhl gleiten und akzeptierte bereitwillig, dass Daniel mich wieder mit seinem Arm umfasste und Richtung Strand führte. Langsam und schweigend gingen wir durch den warmen Sand. Viel zu schnell erreichten wir meinen Bungalow. Sollte ich ihn fragen, ob er noch auf ein Glas mit hineinkommen wollte? Während ich noch darüber nachdachte, löste er sich von mir. »Danke für diesen wundervollen Abend, Violetta. Wir sehen uns morgen.« Er hauchte mir einen Kuss auf die Wange. »Schlafen Sie gut«, sagte er und ging.
Ich stand mit geschlossenen Augen auf der Terrasse und atmete die seidige, süßlich schmeckende Luft ein. Es dauerte bestimmt eine Minute, bis ich das Chalet betrat.
Acht
Es war schon nach neun, als ich aus einem Traum hochschreckte, an dessen Handlung ich mich schon Sekunden später nicht mehr erinnerte, dessen Nachhall ich aber als feuchte Tropfen in meinen Schamhaaren spürte. Ich duschte ausgiebig und versuchte, die Kopfschmerzen zu ignorieren. Ich sollte weniger trinken und wenn es sich nicht vermeiden ließ,
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