Fix und forty: Roman (German Edition)
gegeben, als ein Ständer nichts weiter als ein Patzer war? Und wenn ja, wann war daraus ein erigierter Penis geworden? Meine Mutter quälte sich indes wieder mit ihren Buchstaben herum.
»Mom«, sagte ich schließlich. »Warum legst du nicht ahoi ? Das H käme auf den vierfachen Buchstabenwert, und du bist auf dreifachem Wortwert.«
Der Vorschlag weckte bei meiner Mutter die Erinnerung an alte Kinderlieder. Und schon stimmte sie eines der Lieder von vorgestern an:
»Ich trieb dahin auf hoher See,
Die Wellen türmten sich, o weh.
Als ich sah nach backbord hin
Ein altes Schiff durch die Wogen zieh’n,
Und ich rief laut:
SCHIFF AHOI! SCHIFF AHOI!
(Und ich rief laut: SCHIFF AHOI!)«
Als sie mit ihrem robusten Sopran innehielt, um Luft zu holen, fragte ich: »Nimmt das Lied noch eine religiöse Wendung?«
Sie nickte eifrig und sang weiter:
»Es war das alte Schiff Zion , das durch die Wogen glitt;
Alle an Bord wirkten glücklich, und ich hörte ihr frohes Lied …«
»Sing weiter«, bat ich. Jedes Kirchenlied, das die Erlösung als geheimnisvolles Piratenschiff verkaufte, war es wert, gehört zu werden. Ganz gleich, ob das Lied seit seinem Zenit im Jahr 1938 stetig an Popularität verloren hatte.
»Den Rest habe ich vergessen«, gestand sie. Um ihren kurzzeitigen Gedächtnisschwund wiedergutzumachen, sang sie erneut die erste Strophe, diesmal etwas lauter.
»Ich will ein anderes Spiel spielen«, sagte Allie. »Lass uns das amerikanische Siedlerspiel spielen.«
Meine Schwester und ich gaben uns Mühe, uns nicht anzusehen. Made for Trade war das wahrscheinlich schlechteste Brettspiel aller Zeiten und erst kürzlich im Haushalt meiner Schwester aufgetaucht, als Weihnachtsgeschenk von Oma und Opa. Es handelte sich um einen langweiligen historischen Dorfplan mit kolonialen Pappkameraden als Spielfiguren, die viel zu groß für die winzigen Felder waren.
Aber natürlich waren wir sofort mit Feuereifer bei der Sache. Es gibt nicht viel, was wir nicht für Allie tun würden.
»Du kannst bei jedem Spieler den Gegenstand deiner Wahl besteuern«, erklärte mir Allie, als ich auf ein orangenes Feld mit winziger unleserlicher Schrift kam. Ich holte meine Lesebrille heraus und runzelte die Stirn. »Tante Rhoda, du musst eine Ereigniskarte ziehen«, sagte Allie hilfsbereit.
»Okay. Jetzt geht’s dir an den Kragen, Oma«, sagte ich zu meiner Mutter, die theatralisch aufschrie. »Ebenezer Brown besteuert hiermit dein Spinnrad über fünf Schilling.« Dann zog ich gehorsam eine Ereigniskarte und las vor:
Ist die schlimme sommerliche Dürre Folge der Sünde Einzelner oder der Gemeinde? Es wird ein Fastentag einberufen. Gehe direkt zum Gemeindehaus, höre eine Predigt über die Sünde und bete um Gottes Gnade in Form von Regen. Behalte den Zehnten ein.
»Wie bitte?«, fragte ich. »Habe ich hier was falsch verstanden, oder rät uns diese Ereigniskarte, Gott zu bestrafen?«
»Nein«, erklärte meine Mutter. »Die Schuld fällt auf die Gemeinde , nicht auf Gott.«
»Aber es klingt so, als sollten wir den Zehnten einbehalten, weil Gott eine Dürre über uns gebracht hat.«
»Wir haben die Dürre verdient«, sagte meine Mutter.
»Weil wir gesündigt haben«, warf Allie ein.
»Nein, wir haben nicht gesündigt«, schaltete sich meine Schwester ein. »Das heißt, vielleicht haben wir etwas Schlimmes getan«, erklärte sie emphatisch und sah Allie ernst an, »aber gemäß unserer Natur haben wir unser Bestes gegeben. Gott ist ein liebender Gott. Er bestraft sein Volk nicht mit Dürre.«
»In der Schule schon«, sagte Allie. Phil und Hannah schickten Allie auf eine private katholische Schule, weil die öffentlichen Schulen in der Nähe miserabel waren. »In der Schule bestraft Gott alle .«
»In diesem Haus bestraft Gott niemanden «, sagte Hannah entschieden. »Die Welt hat für den Rest ihrer Tage genug christliche Schuld, christlichen Zorn und christliche Rache erlebt.«
»›Die Rache ist mein, spricht der Herr‹«, zitierte meine Mutter.
»Mama«, sagte Allie, »ist es okay, um Gnade in Form von Regen zu beten?«
»Ich glaube schon«, lenkte Hannah ein. Ideologisch waren sie und Phil gegen alle religiösen Institutionen, und sie wussten, dass sie sich mit der katholischen Privatschule auf einem sehr schmalen Grat bewegten. Hannah behauptete zwar, dass bibelkundliches Hintergrundwissen ihr in Studium und Ausbildung geholfen hatte. Trotzdem war die Frage, welche Schule ihre Tochter besuchen sollte, keine einfache
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