FKK im Streichelzoo - Roman
überlegenes Lächeln in der stickigen Atmosphäre zu platzieren. »Sozusagen als Freundschaftsdienst.«
Mir entfährt ein überraschtes Schnauben, in das sich eine Spur Entsetzen mischt. Wie verzweifelt muss ein Mann sein, wenn er all seine Hoffnung in Nils’ Genitalbereich legt?
»Wir dachten uns, dass es ihm die Nervosität nehmen würde, wenn du ihn heute bei seinem ersten Casting begleitest … Sozusagen als Coach. Du unterstützt ihn mit deiner Erfahrung und gibst ihm Ratschläge. Von Profi zum neuen Stern am Pornohimmel.«
Jean vollführt eine Geste, als würde er die Worte schon gedruckt auf einem Plakat über dem Kinopolis sehen, angestrahlt von etlichen Scheinwerfern, die die ganze voyeuristische Meute der Stadt anziehen wie das Licht die Motten.
»Von Jedi zu Padawan«, wirft Nils begeistert ein. Er zupft aufgeregt an meinem Ärmel. »Wie Qui Gon Jinn und Obi Wan Kenobi. Yoda und Luke. Der Imperator und Darth …«
Meine erhobene Hand bringt ihn zum Schweigen. »Ist gut, ich hab’s kapiert. Jetzt nimm deine Onaniergriffel von mir!«
»Würdest du das tun? Bittteeee!«
Er schaut mich flehend an.
Zu meiner eigenen Überraschung denke ich tatsächlich darüber nach. Schließlich ist er mein bester Freund. Aber tue ich ihm damit wirklich einen Gefallen? Schließlich weiß ich selbst, wie hart und unverzeihlich die Branche ist. Ein zartbesaitetes Pflänzchen wie Nils würde die Pornokuh mit einem Happen hastig verschlingen, sich daran verschlucken, wieder hochwürgen, noch ein paar Mal drauf herumkauen und im hohen Bogen wieder ausspucken. Meine Entscheidung steht fest: »Nein. Niemals.«
»Aber ohne dich schaff ich das nicht!«
»Ist nicht mein Problem.«
»Gut«, sagt er schnippisch. Seine dünnen Ärmchen faltensich vor seinen eingefallenen Bauch zusammen. »Dann ist dein Date heute Abend auch nicht mein Problem. Nehme ich eben das Wohnzimmer in Beschlag und zappe mich durch das Best-of deiner Pornofilme.«
Etwas Resolutes liegt in seinem Blick, das ich bislang nicht kannte. Jetzt ist er es, der überlegen grinst.
Ich spüre es. Meine Gesichtszüge fallen in sich zusammen, als hätte man einer tanzenden Marionette die Schnüre gekappt.
Schnipp-schnapp.
Mühsam schlucke ich den letzten Happen an Würde und Reststolz herunter. »Wann ist noch gleich das Casting?«
18
Sex ohne Körperkontakt ist die Devise der Qualle. Treffen sich Weibchen und Männchen, platzen die Eizellen und Samenzellen aus der Innenhaut des Magenraums heraus und vereinen sich im Meer. Ganz ohne Tuchfühlung.
Der grün geflieste Hausflur zeugt von anonymer Kälte. Passend zum Mehrfamilienhaus, das eingebettet zwischen einem Farbenfachgeschäft und einer Heißmangel in der grauen Vorstadt von Koblenz steht. Passend zu meinem Gemütszustand.
»Ich finde es wirklich klasse, dass du mich begleitest«, sagt Nils, während er die Wohnungstür aufzieht und mir mit einer Geste zu verstehen gibt, dass ich bitte vor ihm in das Appartement eintreten soll. Jedi vor Padawan.
»Halt doch bitte einfach die Klappe.«
Die Einrichtung offenbart den Geschmack einer alten alleinstehenden Frau mit einem ausgeprägten Hang zur Katzenliebe. Zumindest lassen das die unzähligen Statuen jedweder Form, Farbe und Größe in allen strategischen Ecken des Flurs vermuten. Ich erschrecke zu Tode, als urplötzlich eine lebendige Variante der Porzellanfiguren um meine Beine streicht. Mit einem großen Schritt steige ich über sie hinweg und sehe mich fragend um.
»Hier entlang«, lotst uns eine Männerstimme in ein vom Flur abgehendes Zimmer. Vor einer mit Strickgardinen behangenen Fensterfront steht ein Klappschreibtisch aus Metall, dernicht recht in dieses Szenario hineinpassen will. Noch weniger passen allerdings die Männer, die davor stehen, hinein. Die meisten davon in unserem Alter. Und sie sind nackt. Unliebsame Erinnerungen an meine eigenen ersten Castings werden wach.
Ich werfe ein freundliches »Hallo« in die Runde. Nils hebt kurz seine Hand, lässt sie aber mutlos wieder sinken. Niemand macht sich die Mühe, sich nach uns umzudrehen.
»Name?«
Erst jetzt nehme ich den Mann mit dem Klemmbrett in der Hand wahr, der gelangweilt an der rustikalen Schrankwand lehnt. Sein Daumen drückt unablässig auf den Kopf eines Kugelschreibers.
Klick-klick, klick-klick.
»Quentin Bachmann.« Ich strecke ihm zur Begrüßung die Hand entgegen, die er jedoch keines Blickes würdigt. »Es geht aber nicht um mich.« Während ich spreche, klopfe ich
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