Flaming Bess 01 - Das Erbe der Erde
Die Menschen sind entwurzelt. Sie sind gezeichnet. Welten liegen in Trümmern; große Städte haben sich in Ruinen verwandelt; Abermillionen sind tot oder Gefangene der Herculeaner.
Fast die ganze Menschheit ist versklavt; nur wenigen tausend Männern, Frauen und Kindern gelang die Flucht nach Terminus. Aber der Krieg hat auch von ihnen seinen Preis gefordert. Alles, was ihnen wichtig und heilig war, ist zerstört. Sie konnten nur ihr nacktes Leben retten.
Ihre Welt liegt in Trümmern, ihre Vergangenheit ist unter Asche begraben, und ihre Zukunft ist dunkel, ohne Hoffnung. Also bleibt ihnen allein die Gegenwart. Kein Gestern, kein Morgen. Im Heute gefangen. Ein Kerker, aus dem es kein Entkommen gibt, mit höheren Mauern als jedes herculeanische Gefangenenlager. Sie versuchen zu vergessen, sie müssen vergessen, um das Leben zu ertragen. Also spielen sie. Die alten Spiele, Kommandantin. Neid und Rachsucht, Macht über andere, Glück und Liebe, Ehrgeiz und Erfolg. Sie schmieden Pläne für ein Morgen, das es nicht gibt, und verfolgen die Ziele von Gestern, das zu Asche geworden ist. Vier- oder fünftausend Menschen von sechzig oder siebzig verschiedenen Planeten des Sternenbundes.
Die letzten freien Menschen. Und draußen warten die Hercule aner.«
»Auf wen warten sie, Magister?«
»Auf Krom«, sagte Tamerlan. »Auf ihren Kriegsherrn. Es kann nicht mehr lange dauern. Ich spüre, daß er kommt.«
»Aus den Schatten?«
Der Greis antwortete nicht. Nachdenklich sah er zu den Sternen auf, die jenseits der Kuppel aus Glas und der Kuppel aus flimmernder Energie am Nachthimmel standen. Im Zenit der funkelnde Ball des Kugelsternhaufens.
»Ich wünschte«, murmelte er, »Sie wären früher erwacht, zu Beginn des Krieges, als die Inneren Welten noch mächtig genug waren, um mit Ihrer Hilfe gegen die Herculeaner bestehen zu können. Jetzt ist es zu spät.«
»Sie glauben, daß es keine Hoffnung mehr gibt.« Es war eine Feststellung; keine Frage.
Sein Schweigen war Antwort genug.
»Ich werde nic ht aufgeben«, erklärte Flaming Bess. »Niemals. Ich werde kämpfen.«
»Ich weiß. Sie sind die Kommandantin. Ich kenne die Legende, das Versprechen auf Rettung und Hilfe in höchster Not. Ich habe oft hier unter der Kuppel gesessen, in den Jahren vor dem Krieg, und die uralten Mythen studiert. Ich weiß mehr über Sie und die verlorene Erde und die Geschichte der Menschheit als jeder andere, und dennoch ist mein Wissen gering. Die Zeit … Sie hat die Erinnerungen ausgelöscht. Märchen und Sagen, phantastische Geschichten — das ist alles, was von der Erde geblieben ist.«
»Und ich«, sagte Flaming Bess.
»Und Sie, die Alte Kommandantin«, nickte Tamerlan. »Ich habe gehofft, daß das Eis brechen würde. Ich habe verzweifelt gehofft, daß sich die Legende als wahr erweisen würde. Aber als es dann tatsächlich geschah … konnte ich es nicht glauben. Der Schrein leer, die Kommandantin aus dem kalten Schlaf ins Leben zurückgekehrt … Ich mußte Gewißheit haben. Und so schickte ich Katzenstein zu Ihnen, um festzustellen, ob Sie wirklich die Kommandantin oder ein herculeanischer Klon sind, eine Agentin in der Maske von Flaming Bess.«
»Und Sie vertrauen mir, weil meine Antwort auf Katzensteins Frage richtig war? Weil ich in Ihrem Palast mein altes Schiff wiedererkannt habe?«
»Das erste Sternenschiff der Menschheit. Niemand sonst konnte es wissen. Weder die Flüchtlinge, noch die Herculeaner. Nur die Alte Kommandantin— und ich, der letzte aus dem Geschlecht der Tamerlans.«
Er lächelte wehmütig. »Wir Tamerlans waren lange Zeit die einzigen Menschen, die sich mit den Legenden und Mythen von der Erde beschäftigt haben. Terminus ist ein abgelegener Planet. Bis zum Ausbruch des Krieges erhielten wir nur selten Besuch von den Schiffen des Bundes. Wenige unternahmen die lange Reise nach Terminus, um mit eigenen Augen den Tempel, den Schrein und die Frau im Eis zu sehen. Erst als der Krieg verloren war, erinnerten sich die Menschen an die Legende von der Alten Kommandantin.
Aber das Geheimnis des Palastes haben sie nie erfahren. Allein wir Tamerlans wußten, daß er vor Jahrtausenden ein Raumschiff gewesen war. Und selbst wir kennen nicht all seine Geheimnisse. Der Zutritt zu den unterirdischen Gewölben und zur alten Zentrale — hier, direkt unter unseren Füßen — blieb uns verwehrt. Die Tore aus unzerstörbarem Stahl sind versiegelt und lassen sich nicht öffnen … «
Sein Blick glitt in die Ferne. »Wir
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