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Flamingos im Schnee

Flamingos im Schnee

Titel: Flamingos im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Wunder
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mitnehmen zu dürfen, schon dreimal abgelehnt hatte. »Es gibt böses Blut zwischen uns.«
    »Was hast du ihr eigentlich getan?«, fragte Cam und stand von ihrem Fernsehsessel auf.
    »Ich habe einmal versehentlich mit ihrem Mann geschlafen. Vielleicht auch zweimal. Kann sein, dass es zweimal war«, antwortete Nana zerstreut, während sie ihr Schweizer Messer auf- und zuklappte und es in ihre schwarze Gürteltasche steckte.
    »Was soll das heißen? Versehentlich? Wie kann so etwas versehentlich passieren?«
    Nana zuckte nur die Achseln, ganz auf ihr Vorhaben konzentriert. »Kommst du mit, Perry?«, fragte sie.
    »Nein, danke, ich bin zu müde.«
    »Fütterst du bitte Tweety für mich?«, sagte Cam. »Aber lass ihn nicht aus dem Käfig. Er regt sich immer so auf in einer neuen Umgebung.«
    Cam war wie üblich sowieso schon schwarz angezogen, und so ging sie mit ihrer Großmutter zwei Häuser weiter die Straße hinunter bis zur Kirche Unserer Lieben Frau von der Himmelfahrt. Sie umrundeten sie und gelangten zur Rückseite, wo der Kirchhof von einer drei Meter hohen, sandfarbenen Backsteinmauer eingefriedet war.
    Cam glaubte natürlich nicht, dass irgendein Blatt sie heilen konnte. Sie glaubte nicht einmal, dass die Jungfrau eine Jungfrau war. Gern stellte sie sich vor wie Maria, nachdem sie ungewollt schwanger geworden war, den Kopf mit ihren Freundinnen zusammensteckte und beratschlagte, was zu tun war.
    »Ich hab ’ne Idee«, schlug eine vor. »Sag doch einfach, dass es Gott war.«
    »Perfekt«, stimmten die anderen Mädels zu.
    Später musste die ganze Publicity dann total aus dem Ruder gelaufen sein.
    Cam glaubte also nicht an irgendwelche Marienwunder, aber ihr gefiel die Aussicht auf einen Streich mit ihrer Oma, mit dem sie ihr obendrein half, sich an ihrer Freundin zu rächen.
    »Da ist er.« Nana zeigte auf den Baum, der genau in der Mitte des Kirchhofs stand. Irgendjemand, vermutlich eine Nonne, hatte sich sehr liebevoll um den Garten gekümmert. Er sah üppig grün aus, dicht bewachsen, fruchtbar – Adjektive, die man normalerweise nicht mit Hoboken verband. Cam fühlte sich ein bisschen an das Polynesian Hotel erinnert, nur mit anderer Flora. Rosensträucher wuchsen ringsum an der Mauer. Es gab einen grünen Rasen, weitere Blühpflanzen, diverse Marienfiguren und einen Engelsbrunnen, der beruhigend in einer Ecke plätscherte. Mittendrin thronte der Ahornbaum.
    »Können wir nicht einfach eines von denen hier pflücken?«, fragte Cam und zeigte auf das Laub, das so praktisch über die Mauer wuchs.
    »Nein, nur der Baum dort in der Mitte ist der richtige. Es muss von dem sein«, flüsterte Nana und zog die Kapuze ihres Sweatshirts über den Kopf. Der Bäcker und seine Frau kamen gerade aus der Tür der italienischen Bäckerei und schlossen ihren Laden ab. Sie warfen einen misstrauischen Blick auf Cam, bevor sie mit ihrer Schachtel voller Cannoli, die mit rotem Band zugebunden war, nach Hause gingen.
    »Okay, du bleibst hier. Ich mache es. Nicht, dass du dir noch die Hüfte brichst«, sagte Cam. Die Ampel an der Ecke schaltete von Rot auf Grün, doch es gab keine Autos, die darauf reagierten. Es war eine ruhige Nacht in Hoboken.
    »Aber dann wirke ich verdächtig hier draußen«, erwiderte Nana, die von einem Fuß auf den anderen trat.
    »Warum hast du dich auch so angezogen?«, fragte Cam.
    »Ich weiß es nicht. Es hat mich einfach so überkommen.«
    »Das scheint dir ja öfter zu passieren. Du solltest vielleicht mal deine Impulsivität in den Griff –«
    »Steig einfach rauf. Rauf und rüber.« Nana bückte sich und formte eine Trittleiter mit den Händen für Cam.
    »Ich bin auch nicht gerade hundert Prozent fit, weißt du. Fühl mich ein bisschen schwach in letzter Zeit«, bemerkte Cam, als sie auf die großmütterliche Leiter trat und sich an Nanas zunehmend gebeugten Schultern abstützte.
    »Soll ich es machen, Schätzchen?« Cam war ihr so nahe, dass sie ihren Atem riechen konnte, der immer leicht nach Lakritz roch. Wie Anislikör.
    »Nein, ich mach’s schon.«
    »Okay, rauf und rüber. Warte, wie lautet unser Codewort? Für den Notfall oder so«, sagte Nana.
    »Banane«, antwortete Cam, zog sich an der Oberkante hoch und schwang sich hinüber. Den Bauch flach an die Mauer gedrückt, glitt sie auf der anderen Seite hinunter und klammerte sich noch eine Sekunde lang fest, um zu vermeiden, dass sie in einem Rosenstrauch landete. Sobald sie losließ, hörte sie: »O Gott, Banane, Banane!«
    »Was

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