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Flamingos im Schnee

Flamingos im Schnee

Titel: Flamingos im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Wunder
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im Schlamm stecken und fiel voll mit dem Gesicht in die braune, zähe Suppe. Jetzt war es an Asher zu lachen. Sie war von Kopf bis Fuß dunkelbraun, als hätte jemand ihre Vorderseite in Schokolade getunkt.
    Als sie sich aufrappelte, sah sie sich Auge in Auge Buddy gegenüber, der immer noch auf seinem Schlickhaufen saß. Deshalb wollen sie nicht wegfliegen , dachte sie. Buddys Mut ter stand dicht bei ihm, beugte sich mit ihrem langen Hals zu ihm herunter und tippte ihn mit dem Schnabel an. Um ihn zum Fliegen zu bringen? Aber er hatte doch noch keine Flügelfedern.
    »Ich übernehme ihn«, sagte Cam zu der Mutter. »Mach dir keine Sorgen. Ich kümmere mich um ihn.« Sie näherte sich auf Zehenspitzen, um den Muttervogel nicht zu erschrecken. Von Animal Planet hatte sie einiges über den Beschützerinstinkt von Muttervögeln gelernt, aber sie wusste auch, dass die Mutter ihr Junges verlassen würde, sobald sie es anfasste. Was sie nicht wusste, war, ob Elaine sich damit auskannte, wie man ein Flamingobaby aufzog, aber das Risiko musste sie eingehen. Von Vorteil war es, dass sie jetzt durch und durch nach Flamingokacke stank.
    Sie schlich sich von hinten an Buddy heran und versuchte dabei, wie ein Flamingo zu staksen, mit vorgeschobenem Kopf. Dann packte sie ihn und hielt ihn in ihrer rechten Armbeuge, während sie sich mit dem linken Arm gegen die wilden Angriffe der Mutter verteidigte. Die Flamingomutter flatterte und trat und hackte mit dem Schnabel auf ihren Kopf ein.
    »Asher, Hilfe!«, schrie sie, doch er musste so sehr lachen, dass er nur hervorstoßen konnte: »Lauf!«
    Buddy unter den Arm geklemmt wie einen Football, raste sie auf den Zaun zu. Die Mutter verfolgte sie, zuerst laufend, dann breitete sie die Flügel aus. Mit zwei Schlägen erhob sie sich in die Luft. Ein Schnattern und Kreischen ging durch den ganzen Schwarm, und auf einmal flogen die Vögel in geordneten Reihen auf und folgten dem Beispiel von Buddys Mutter. Eine große rosa Wolke aus Federn, die durch den Schnee himmelwärts stieg.
    Es dauerte rund zehn Minuten, bis die ganze Schar über ihnen segelte. Cam gestattete sich die kurze Überlegung, ob die Flamingos wirklich ein Zeichen waren. Und wenn sie ihretwegen hierhergekommen waren? Vielleicht faltete der große Universums-Entfalter da oben ihr Leben ja doch zu einem hübschen Origami-Schwan, statt es zusammenzuknüllen und unfertig in den Papierkorb zu werfen, als wäre sie ein einziges kosmisches Versehen. Vielleicht würde sie doch noch ein kleines bisschen länger leben.
    Sie schloss die Augen und versuchte, es sich vorzustellen. Die Backsteinmauern des Harvard-Campus, die Farbe der in Boston so beliebten Bohnen in Tomatensoße. Asher, der mit seinen Flipflops in Cambridge herumlief. Mit ihr zusammen auf ihrem schmalen Wohnheimbett lernte. Sie beide, wie sie mit ihren neuen Freunden in urigen Kneipen Bier tranken.
    Sie atmete tief durch. »Wir haben’s geschafft.«
    »Ja«, stimmte Asher zu. Er nahm ihre Hand, als die letzten Vögel langsam in der Ferne verschwanden, eine im Wind wehende, rosa-schwarz gemusterte Patchworkdecke mit leuchtend blauen Himmelsflicken darin.

A CHTUNDZWANZIG
    »Ich habe dir eine Sühnegabe mitgebracht«, sagte Cam, als sie in Elaines Windfang trat.
    »Cam?«, rief Elaine.
    »Und Asher«, antwortete Asher.
    Cam fürchtete sich davor, Elaine allein gegenüberzutreten. Seit dem Vorfall mit dem Esel hatte sie nicht mehr mit ihr gesprochen. James Madison hatte sich zum Glück gut erholt und stand, zum Schutz vor dem Schnee mit einer dunkelblauen Decke bekleidet, in seinem Pferch.
    »Ach du meine Güte, Cam, ich hole dir schnell was Trockenes zum Anziehen. Warte hier.«
    Elaine kam mit einem riesigen roten Sweatshirt wieder, auf dem »Promise-Straßenfest 1993« stand und das Cam als Kleid tragen konnte. »Wonach riecht es denn hier? Herrgott, vielleicht solltest du das lieber nach draußen tragen.«
    So wurde Cam wieder einmal gezwungen, sich unter eine eiskalte Außendusche zu stellen, während Asher seiner Tante schonend die Sache mit Buddy beibrachte. Wenigstens hatte es aufgehört zu schneien. Es war ein gutes Gefühl, sich zu säubern, und sie ließ Buddy gern dabei mitmachen. Er nahm ein ausgiebiges Vogelbad, plantschte und schüttelte sich in der Pfütze zu ihren Füßen, der Kleine. »Ach Buddy«, seufzte sie, »was sollen wir nur mit dir machen?«
    Asher wartete im Windfang auf sie, als sie wieder ins Haus trat. Sie trug ihr Sweatshirtkleid mit seinem

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