Flamingos im Schnee
Gürtel um die Taille gerafft.
»Du siehst umwerfend aus.«
»Hübsch, nicht wahr? Es hat diesen Flashdance -Look aus den Achtzigern«, sagte sie und zog es über eine Schulter herunter.
»Ich weiß. Das war ernst gemeint«, entgegnete er.
Buddy folgte ihr bereits, als wäre sie seine neue Vogelmama. Im Flur drehte sie sich nach ihm um, und er sah richtig vergnügt aus, wie er so seine großen Schwimmfüße voreinandersetzte, eine komische, in die Länge gezogene Ente.
»Elaine, darf ich dir Buddy vorstellen? Buddy, das ist Elaine«, sagte Cam, als sie in die Küche kamen. Elaine saß in der Einbau-Essecke – aus Kiefernholz – und blies auf ihren heißen Kakao. Zwei weitere Becher standen für Asher und Cam auf dem Tisch.
»Was soll ich denn mit einem Buddy?«, wollte Elaine wissen.
»Ich dachte, du könntest ihn vielleicht hierbehalten, bis er es schafft, allein nach Süden zu fliegen«, erwiderte Cam. »Wir mussten die Flamingos verscheuchen, also die Vogelscheuchen machen, aber zu ihrem eigenen Besten verscheuchen, meine ich …«
»Ich weiß, was du meinst, aber falls nicht einer von euch beiden bereit ist, jede Menge Krabben zu essen und sie für ihn wieder herauszuwürgen, weiß ich nicht, wie wir ihn füttern sollen.«
Cam und Asher verstummten.
»Also, vielleicht können wir den Zoo in Portland anrufen und fragen, womit sie ihre Flamingojungen füttern oder so«, schlug Cam schließlich vor.
»Was ist eigentlich aus Blumen oder einer Schachtel Pralinen geworden?«, fragte Elaine. »Erst stiehlst du meinen Esel, und dann bringst du mir zur Wiedergutmachung einen Flamingo?«
»Aber er ist unwiderstehlich«, wandte Asher ein, hob Buddy auf seinen Schoß und tat, als würde er ihn in die Backen kneifen. »Sieh dir nur dieses Gesichtchen an.«
»Er ist das Hässlichste, was ich je gesehen habe.«
»Ich weiß«, sagte Asher, »aber auch er ist ein Geschöpf Gottes.«
»O Gott, also schön«, seufzte Elaine. »Ich werde eine Lösung finden, Campbell, aber du musst mir helfen.«
»Ist es in Ordnung, wenn ich erst nächste Woche damit anfange?«, fragte Campbell. »Diese Woche mache ich nämlich eine kleine Reise mit Asher.«
»O nein, das tust du nicht«, sagte Asher und versteifte sich abrupt auf seinem Stuhl.
»Ich wusste nicht, dass Asher neuerdings verreist«, bemerkte Elaine neugierig.
»Wir fahren nach Disney World. Es wird dir dort gefallen«, sagte Cam zu Asher. »Das ist auch so ein Wunderland.« Die Idee war gesät worden, und nun ging der Same in ihrem Kopf auf und wurde zur Pflanze. Sie wollte ihm beweisen, dass er Promise verlassen konnte. Er konnte fortgehen, ohne dass die Welt einstürzte. Er sollte begreifen, dass er nicht hierbleiben und die Trümmer aufsammeln musste wie Jimmy Stewart in Ist das Leben nicht schön? . Sie würde ihn aufscheuchen, wie sie die Flamingos aufgescheucht hatte.
»Sehr schön, aber wie willst du ihn in ein Flugzeug bekommen?«, fragte Elaine.
»Ich hab mit Fliegen nichts am Hut, Tomatensuppe«, sagte Asher.
»Daran können wir arbeiten«, sagte Cam. »Was soll das mit der Tomatensuppe?«
»Ich probiere nur was aus, Campbell-Suppe.«
»Darauf sind schon andere gekommen.«
»Tatsächlich?«
»Ja.«
Alicia war mit der Reise nach Disney World auch nicht einverstanden.
»Kommt nicht infrage«, sagte sie und knallte den Küchenschrank zu. »Das ist doch wohl nicht dein Ernst?«
»Es wird alles bezahlt. Von Make-A-Wish. Einem geschenkten Gaul guckt man nicht ins Maul. Außerdem könntest du Izanagi besuchen.«
»Campbell, jetzt sieh dich doch mal an. Du lebst endlich ein normales Leben. Du hast wieder Energie. Deine Haut ist viel klarer. Du hast Appetit, einen Ferienjob und – ich wage es kaum zu sagen – bist verliebt. Warum willst du das aufs Spiel setzen? Es war so schön, dich mal wieder lächeln zu sehen.«
»Wieso setze ich denn irgendwas aufs Spiel? Falls Promise das alles bewirkt hat, wirkt es auch noch, wenn wir zurück sind.«
»Wenn du jetzt weggehst, musst du bei deiner Rückkehr wieder ganz von vorn anfangen. Du machst alles zunichte. Und was ist, wenn du den Zauber brichst?« Alicia lehnte mit einem Arm am Küchentresen und tat so, als würde sie einen Plastikstrohhalm rauchen.
Cam war dazu übergegangen, ihre eigenen Regeln von dem Zauber – oder was immer es war – abzuleiten. Sie würde nach Disney World reisen, weil der Brief von Make-A-Wish ein Zeichen war. Er zeigte ihr, was sie als Nächstes tun sollte. Sie dachte nicht
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