Flamme von Jamaika
Braten freuen.»
«Demnächst überlässt du das Jagen den Kriegern!», schalt er sie scherzhaft.
«Wer waren diese Männer?», fragte sie schüchtern.
«Weiße Soldaten, die es auf uns abgesehen hatten», antwortete er ehrlich und beschleunigte seine Schritte, damit die Fragerei endlich ein Ende nahm.
«Was wäre geschehen, wenn sie mich erwischt hätten?»
«Sie haben dich nicht erwischt.»
«Und wenn sie es getan hätten?» Sie ließ keine Ruhe.
«Dann hätten sie dich mit zu den Weißen genommen und ins Gefängnis von Spanish Town geworfen», referierte er wenig diplomatisch. «Dort hätten sie dich gefoltert, bis du ihnen gesagt hättest, wo deine Mutter und deine Schwestern zu finden sind. Und dann wären sie mit vielen Soldaten gekommen, und wir hätten uns einem Kampf stellen müssen. Dabei wären wir dann wahrscheinlich alle gestorben.»
«Ich hätte ihnen nie gesagt, wo sie uns finden können», erwiderte sie trotzig.
«Doch, meine Liebe, das hättest du. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede.» Er lachte verbittert.
«Das bedeutet, du bist schon mal gefoltert worden?»
«Was denkst du, woher ich die Striemen auf dem Rücken habe? Und das war noch nichts, sage ich dir. Es gibt noch wesentlich grässlichere Methoden, einen Mann zum Sprechen zu bringen.»
«Aber ich bin ein Mädchen», erwiderte sie und unterstrich ihre Hoffnung, von brutalen Foltermethoden verschont zu werden, mit einem naiven Augenaufschlag. «Einem Mädchen würden sie so etwas Schreckliches doch nicht antun, oder?»
Jess setzte ein müdes Grinsen auf, das Cilia nicht entging.
«Hast du eine Ahnung. Der Unterschied zwischen einem Mann und einem Mädchen», erklärte er ihr, «liegt lediglich darin, dass man ein Mädchen gar nicht so lange foltern muss, bis es redet. Und wahrscheinlich hätten die Soldaten auch nicht damit gewartet, bis sie dich nach Spanish Town gebracht hätten, sondern hätten direkt dort unten am Teich begonnen.» Indem sie dich angeschossen und dann der Reihe nach vergewaltigt hätten, dachte er, sagte es aber nicht, um sie nicht noch mehr zu verängstigen.
Er spürte, wie sie von neuem zu zittern begann. Eine Träne rann über ihr noch kindliches Gesicht, dessen Mund bereits davon kündete, dass sie schon bald eine unwiderstehlich schöne, junge Frau sein würde.
«Danke, Jess», flüsterte sie und barg ihr Gesicht an seiner Halsbeuge. «Danke, dass du mich gerettet hast.»
Nach einer Weile kam Selinas Hütte in Sicht. Mit einem Aufschrei lief sie herbei, als sie erkannte, dass Jess ihre Tochter auf seinen Armen trug. Cilia sah die Freude ihrer Mutter mit gemischten Gefühlen. «Hoffentlich schlägt sie mich nicht», flüsterte sie ängstlich.
«Keine Angst», versprach Jess. «Ich werde dafür sorgen, dass sie dich nicht noch mehr quält. Für heute hast du genug durchgemacht.»
«Jess?»
Die Frage klang dringend. Cilia wollte unbedingt noch etwas loswerden, bevor Selina vor ihnen stand.
«Ja?»
«Ich würde mir nichts sehnlicher wünschen als einen Vater wie dich.»
Jess schluckte hart ob dieses rührenden Bekenntnisses und setzte das Mädchen auf den Boden. Selina wich erschrocken zurück, als sie das Blut sah, das noch an ihm und an den Kleidern ihrer Tochter klebte. Dann sah sie, dass beide unverletzt waren, und fiel Jess ungefragt um den Hals, obwohl sie noch gar nicht wusste, was genau vorgefallen war. Doch dafür sorgte Cilia schon. Atemlos erzählte sie ihrer Mutter, was Jess für Heldentaten vollbracht hatte. Inzwischen war auch Baba an ihrer Seite erschienen und hörte aufmerksam zu.
«Ich bin stolz auf dich», sagte sie nur und streichelte anerkennend über seinen Unterarm.
«Und ich werde dir nie vergessen, dass du meine Tochter gerettet hast.» Selinas Augen glänzten plötzlich tränenverhangen, und es machte den Eindruck, als ob sie ihn nicht nur aus überschwappender Dankbarkeit küssen wollte. Alarmiert wich er zurück.
«Das hätte jeder von unseren Männern getan», begründete er seinen angeblich so heroischen Einsatz schroff. «Nathan, Joel und die anderen haben genauso dazu beigetragen wie ich.»
Babas Augen funkelten ihn warnend an. Er konnte förmlich ihre Gedanken lesen.
Sie will aber nicht Nathan oder Joel. Sie will dich!
Jess fühlte sich durch die Frauen bedrängt. «Es tut mir leid», raunte er und wandte sich ab. «Ich muss Cato Bericht erstatten», sagte er und machte sich auf den Weg zur Versammlungshöhle, um den anderen Mitgliedern des Ältestenrates den
Weitere Kostenlose Bücher