Flammen über Arcadion
euch so weise ist, auf meine vollkommen berechtigten Zweifel zu hören. Und danach denken alle, dass ich aufspringen und wie eine beleidigte Diva aus dem Raum stürmen werde. Aber wisst ihr was? Ich überrasche jeden Einzelnen von euch, indem ich sage: Zum Teufel mit der Vorsicht! Die Sterne, die am hellsten brennen, mögen als erste verglühen. Doch wenn ihr glaubt, dass ich darauf verzichte, mit euch in einem Atemzug genannt zu werden, wenn die Zeitungen darüber schreiben, dass wir auf dem Quirinalsplatz als Feinde des Lux Dei öffentlich hingerichtet werden, so habt ihr euch geschnitten! Adara, setz meinen Namen auf die Liste der tapferen Todgeweihten.«
»Noch ist niemand tot«, erwiderte Adara. »Und wenn es nach mir geht, werden wir alles daran setzen, unser verfrühtes Ableben zu verhindern. Die Ascherose hat noch einiges zu tun hier in Arcadion.«
»Legen wir los«, sagte Jonan und blickte mit einem entschlossenen Händereiben zu Carya hinüber.
Der standen erneut die Tränen in den Augen. Aber diesmal war nicht Trauer der Grund dafür, sondern Dankbarkeit.
Kapitel 20
Die Folgetage nutzten die Mitglieder der Ascherose, um sich auf die Befreiungsaktion vorzubereiten. Stephenie behielt die Aktivitäten im Tribunalpalast im Auge, um frühzeitig davon zu erfahren, sollten Caryas Eltern verlegt werden. Mithilfe des jungen Journalisten Lando, der vorgab, an einem Artikel über einen Justizfall zu arbeiten, gelang es der Ascherose sogar, sich persönlich ein Bild von deren Lage zu machen. Er berichtete, sie seien den Umständen entsprechend in guter Verfassung und wirkten nicht, als habe man sie gefoltert.
Eine grausige Folge hatte Caryas und Rajaels Angriff auf die Inquisitoren Lando zufolge indes doch. Man hatte den Sekretär von Inquisitor Ellio, einen gewissen Alesandru Florea, wegen Amtsmissbrauch und Mithilfe zu einem Mordanschlag auf Großinquisitor Aidalon gehängt.
Carya hatte Alesandru nie gemocht. Dennoch traf sie sein Tod. Seine Motive mochten überwiegend eigennütziger Natur gewesen sein, aber ohne seine Hilfe wäre es ihr nicht möglich gewesen, Rajael und sich selbst in den Tribunalpalast zu schmuggeln. »Noch jemand, dessen Tod meine Schuld ist«, sagte sie betrübt.
»Du konntest damals nicht wissen, was passieren würde«, versuchte Jonan sie zu trösten. »Hättest du es geahnt, hättest du sicher anders gehandelt.«
Carya seufzte nur.
Unterdessen beschaffte Picardo über einen Freund am Theater einige Uniformen, die sich mit ein wenig Handarbeit in passable Kopien der Gardeuniformen des Tribunalpalasts verwandeln ließen. Pitlit kundschaftete die Fahrtrouten der gewöhnlichen Gefängniskutschen aus, und Jonan brütete gemeinsam mit Adara und Ugo über einem Stadtplan von Arcadion, um zu überlegen, wie sie am besten vorgehen sollten.
Schließlich ließ sich Jonan von Dinos Vetter Abholpapiere fälschen, die es Dino und Ugo erlaubten, mit einer Kutsche ganz unauffällig und im hellsten Sonnenschein beim Lagerhaus von Jonans Onkel vorbeizufahren und die Kiste mit seiner Kampfpanzerung einzuladen, die laut den Papieren Ersatzteile für eine Motorkutsche enthielt. Im Schutze der Nacht und unter dem Ächzen der Männer wurde die Kiste anschließend in den Keller des Universitätsgebäudes getragen, wo sich Jonan und Carya nach wie vor versteckten.
Carya blieb in all der Zeit nicht viel zu tun. Zu ihrer eigenen Sicherheit durfte sie ihr Versteck nur in den Nachtstunden verlassen, und Giac hatte sie gebeten, selbst dann im Haus zu bleiben. Da ihr die weiten leeren Korridore und die vielen Räume des Bauwerks im Dunkeln jedoch unheimlich waren, beschränkte sie ihre Spaziergänge auf ein Minimum.
Sie hätte sich gerne an den Plänen zur Befreiung ihrer Eltern beteiligt, doch sie musste bald feststellen, dass sie zu den Taktiken der Männer nicht viel beizutragen hatte. Ihr blieb allein das Umnähen der Uniformen – ein wichtiger Beitrag zweifellos, aber in Caryas Augen trotzdem etwas unbefriedigend.
»Ich weiß zu wenig von der Welt«, klagte sie ihrem Onkel ihr Leid. »In der Akademie des Lichts habe ich gelernt, wie man näht und dabei Psalme aufsagt. Wie man im Feindesland überlebt, hat mir keiner gezeigt.«
»Ich verstehe«, erwiderte er. »Mal sehen, ob ich was für dich tun kann.«
Tags darauf kam er mit einem Stapel Bücher wieder. Sie sahen vergilbt und oft gelesen aus. An der Seite klebten Nummern, als stammten sie aus irgendeiner Sammlung.
Carya nahm sie entgegen und sah
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