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Flammenbrut

Titel: Flammenbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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Bett im Gästezimmer lag, hatte sie ein wenig beklommen den unvertrauten Geräuschen |112| gelauscht, bis sie irgendwann eingeschlafen war. Danach hatte sie sich jedoch an die Einsamkeit gewöhnt, bis sie sie nicht
     länger störte. Noch immer war das Haus erfüllt von den Echos der Familie, überall lagen Spielzeuge, Bücher und Kleider herum,
     sodass es eigentlich gar nicht leer wirkte. Es schien sich in einer Art Schwebezustand zu befinden, wie eine
Marie Celeste
* , die darauf wartete, dass die Stimmen und das Leben wieder einsetzten. Manchmal fühlte sich Kate wie ein Geist, wenn sie
     durch die Räume ging; sie lebte hier, hinterließ jedoch selbst keinerlei Spur. Es war ein angenehmes, einlullendes Gefühl.
    Schließlich freute sie sich jeden Abend darauf, dorthin zurückzukehren, sodass sie im Grunde gar keine Lust hatte, zuerst
     nach Hause zu gehen, um Dougal zu füttern und nach der Post zu sehen. Die Abende waren heiß und schwül, und Kate machte sich
     für gewöhnlich einen Salat zurecht, den sie dann draußen im Garten aß. Anschließend blieb sie entweder einfach sitzen, oder
     sie las, bis es dafür zu dunkel wurde. Dann ging sie ins Haus und hörte sich Jacks Jazz- und Bluesplatten an, den Kopf an
     das übermäßig dick gepolsterte Sofa gelehnt, während Billy Holiday ihr Herz entblößte und die Motten gegen den Lampenschirm
     flogen.
    Kate hatte seit so langer Zeit keine wirkliche Entspannung mehr genossen, dass ihr das Gefühl nun geradezu merkwürdig erschien.
     Das Einzige, was noch an ihr nagte, war die Notwendigkeit, einen Spender zu finden, und während die Wochen ohne jegliche Reaktion
     auf ihre Anzeige |113| verstrichen, akzeptierte sie nach und nach, dass nun wahrscheinlich auch nichts mehr passieren würde.
    Sie hatte seit über einer Woche nicht mehr in ihrem Postfach nachgesehen, und als sie eines Mittags zur Post ging, tat sie
     es eher aus Pflichtgefühl denn aus Hoffnung. Als die Frau mit einem Umschlag zurückkehrte, spürte Kate förmlich, wie der vor
     ihr liegende Tag in tiefste Verwirrung abzugleiten drohte. Sie quittierte den Empfang des Briefes und nahm ihn mit hinaus.
     Eingedenk des Kondoms behandelte sie ihn mit größter Vorsicht und ging abergläubischerweise zu einer anderen Stelle, um ihn
     zu öffnen.
    Diesmal steckte ein Brief im Umschlag, ein cremefarbener Bogen, der mit einer ordentlichen Handschrift bedeckt war. Auf dem
     Umschlag stand eine Adresse in Ealing mitsamt der dazugehörigen Telefonnummer. Am Datum sah Kate, dass der Brief vor über
     einer Woche aufgegeben war. Er hatte die ganze Zeit hier auf sie gewartet, während sie in Lucys Haus vor sich hin träumte.
    Der Absender kam sofort zur Sache. «Ich antworte auf Ihre Anzeige, in der Sie nach einem Spender für die künstliche Befruchtung
     suchen», las Kate. «Ich bin vierunddreißig Jahre alt und von Beruf klinischer Psychologe mit Wohnsitz in London. Ich bin ledig
     und habe keine Kinder»– bei den nächsten Worten lächelte Kate   –, «durchschnittlich groß, schlank, mit dunklen Haaren und blauen Augen. Wenn Sie an einem Treffen interessiert sein sollten,
     rufen Sie mich bitte nach sechs Uhr abends unter obiger Nummer an.» Unterzeichnet war der Brief mit «Alex Turner».
    Kate stellte fest, dass sie weiter gegangen war, ohne auch nur die leiseste Ahnung zu haben, wo sie hin wollte. Sie blieb
     stehen und sah, dass sie die falsche Richtung eingeschlagen hatte. Einen Augenblick lang fühlte sie sich orientierungslos |114| und wusste nicht recht, wo sie war. Dann schob sie den Brief wieder in den Umschlag, steckte ihn in die Tasche und machte
     sich auf den Weg zur U-Bahn -Station.
     
    An diesem Abend saß sie im Garten, aber nun war der Friede zerstört. Ihre Mahlzeit hatte aus einem Becher Tee bestanden, der
     halb ausgetrunken auf dem Tisch vor ihr stand und langsam kalt wurde. Daneben lag der Brief. Gelegentlich nahm sie ihn zur
     Hand und las ihn noch einmal, als könne sie der kleinen, bedächtigen Handschrift noch etwas Neues entnehmen.
    Der Gedanke, den Mann kennenzulernen, der ihn geschrieben hatte, jagte ihr plötzlich Angst ein. Genau das hatte sie gewollt,
     aber jetzt, da es wirklich bevorstand, erschien ihr schon die bloße Vorstellung an ein Telefongespräch mit dem Fremden ungeheuerlich.
     Plötzlich ging ihr wieder Lucys Warnung durch den Kopf; es konnte sich um wer weiß wen handeln. Ein Stück Borke vom Goldregen
     lag auf der weißen Plastikoberfläche des Tisches. Als

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