Flammende Sehnsucht
einfach. Wir tauschen unsere Kleider. Eigentlich brauchst du mir nur dein Neglige zu geben. Dann trete ich an deine Stelle, schlüpfe aus dem Zimmer, obwohl - wahrscheinlich ist das gar nicht nötig, als du, als Delia kann ich doch bestimmt ganz einfach zur Türe hinausspazieren.« Cassie lächelte triumphierend.
»Und wenn dich jemand sieht?«
»Dann denkt er, ich bin du.«
»Stimmt.« Delia kniff die Augen zusammen. »Und wenn dich jemand als Delia in Berkleys Zimmer gehen sieht? Dann wird er denken, dass er und ich, o Gott, ich will nicht einmal laut aussprechen, was er denken würde.«
Cassie wischte die Besorgnis ihrer Schwester beiseite. »Ich werde aufpassen wie ein Luchs. Außerdem ist es sehr spät. Ich kann mir nicht vorstellen, dass noch jemand auf den Korridoren herumgeistert.«
»Und dennoch bin ich hier«, meinte Delia ironisch.
»Nun komm schon, Delia, ich bringe nur die Sachen zurück, plaudere ein bisschen und bin wieder da.«
Delia betrachtete ihre Zwillingsschwester und schüttelte den Kopf. »Nein, das wirst du nicht.«
»Ich werd es versuchen.« Cassie hielt inne, um nach den passenden Worten zu suchen. »Also angesichts der unzähligen Male, die ich dich vertreten habe, als du hinter deinem Mann her warst...«
»Ich war nicht hinter ihm her.«
Cassie zog die Augenbrauen hoch.
»Na ja, ein bisschen vielleicht schon«, räumte Delia widerwillig ein. »Aber ich war Witwe, hatte Erfahrung und ...«
Cassie verschränkte die Arme vor der Brust.
»Keine gewaltige Erfahrung natürlich.« Delia schnaufte. »Trotzdem war die Situation eine völlig andere. Cassie ...« Sie sah ihre Schwester direkt an. »Falls irgendjemand auch nur den geringsten Verdacht schöpft, dass du zu nachtschlafender Zeit bei Berkley im Zimmer warst, dann bist du erledigt - egal wie lange du dort warst und was du gemacht hast. Dein Ruf wäre ruiniert, und du hättest einen Riesenskandal am Hals. Darf ich dich vielleicht daran erinnern, dass das längst nicht so lustig ist, wie es klingt.«
»Das Risiko ist mir völlig klar, Delia. Sogar klarer, als du ahnst.« Sie hielt einen Moment inne, um sich zu sammeln.
»Wäre mein Ruf ruiniert, würden die Damen, die sich jetzt händeringend darum bemühen, sich ihre Häuser von mir einrichten zu lassen - und das ebenso sehr wegen meines Namens tun wie wegen meines Stil- und Farbgefühls -, nichts mehr mit mir zu tun haben wollen.«
Sie stieß resignierend Luft aus.
»Damit wäre mein Unternehmen oder Zeitvertreib, oder wie immer man es nennen mag, am Ende.
Zwar glaube ich, dass Reggie mich liebt und mich heiraten will. Aber wenn nicht, kann ich den Rest meiner Tage ja immer noch als« - sie rümpfte die Nase - »exzentrische Miss Effington oder bekloppte Tante Cassandra zubringen.«
Delia zuckte zusammen. »Könntest du das aushalten?«
Cassie zuckte die Achseln. »Wenn es sein müsste. Hätte ich denn eine andere Wahl?«
»Falls du heute Nacht in Berkleys Zimmer gehst, könntest du alles verlieren«, sagte Delia leise.
»Oder die Welt gewinnen.« Cassie lächelte bedauernd. »Mein Herz hab ich ja schon verloren.«
Delia starrte ihre Schwester lange an, dann stand sie ziemlich widerwillig auf. »Nun komm schon, hilf mir aus dem Morgenrock. Je schneller du weg bist, umso schneller bist du auch wieder da.«
Cassie lächelte. »Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann.«
»Ich will, dass du binnen einer Stunde zurück bist.« Delias Stimme klang streng.
»Meinst du, das reicht?« Cassie warf ihrer Schwester einen unschuldigen Blick zu. »Zum Plaudern?«
Delia presste die Lippen aufeinander. »Wenn du lediglich eine Krawatte zurückbringst und ein paar Worte mit ihm wechselst, reicht es.«
Cassie verkniff sich ein Grinsen. »Aber ich muss auch noch einen Gehrock zurückbringen und habe ihm ziemlich viel zu sagen.«
»Na ja, das könnte etwas länger dauern.« Delia seufzte resigniert. »Zwei Stunden also, und nun hoffe mal schön, dass mein Mann nicht aufwacht und sich fragt, was aus mir geworden ist.«
»Glaubst du, er sucht nach dir?«
»Keine Ahnung. Ich habe ihn noch nie mitten in der Nacht allein gelassen, um mit meiner Schwester Plätze zu tauschen, damit sie meinen Bruder übertölpeln und sich mit einem aufreizenden, unvollkommenen Zeitgenossen zum Tete-ä-Tete treffen kann«, versetzte Delia.
»Na ja, mir ist schon klar, dass das nicht allzu oft passiert. Obwohl ich sagen muss, dass mir der Ausdruck Tete-ä-Tete gefällt. Er klingt schrecklich
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