Flammende Sehnsucht
eine gewisse Glaubwürdigkeit.«
Lucy schossen die Tränen in die Augen. »Dann liegt sie also wirklich im ...«
»Sei nicht albern«, unterbrach er sie scharf und legte ihr tröstend den Arm um die Schultern. »Ich bin ganz sicher, dass uns Mutter noch viele Jahre erhalten bleibt. Wir müssen jetzt nur da durch, den Rat des Doktors befolgen und ihr ihren Willen lassen. Ich bin mir sicher, dass sie in kürzester Zeit wieder auf dem Damm ist.«
Lucy schniefte. »Glaubst du wirklich?«
»Aber natürlich.« Reggies Stimme klang überzeugter, als er es wirklich war. »Außerdem bestand Mutters Hauptlebenszweck in den letzten Jahren darin, mich zu verheiraten.« Er lächelte seiner Schwester ermutigend zu. »Sie kann gar nicht sterben, ehe sie mich im sicheren Hafen der Ehe weiß.«
»Verstehe.« Lucy entwand sich seiner Umarmung und betrachtete ihn einen Moment lang. »Danke, Reggie. Jetzt fühle ich mich wirklich besser.«
»Tatsächlich?« Er zog eine Braue hoch. »Und weshalb?«
»Weshalb? Bei dem umwerfenden Erfolg, den du bisher bei deiner Brautschau hattest, was glaubst denn du?«, grinste Lucy. »Da kann Mutter ja ewig leben.«
Cassie saß auf einem Sofa im großen Salon von Berkley House und ließ einen abschätzenden Blick über den Raum und seine Einrichtung gleiten. Der Gesamteindruck erinnerte momentan an eine alternde Lady, die ihre besten Jahre hinter sich hatte, obwohl der Raum gute Proportionen aufwies, viel Potenzial und schöne Stuckverzierungen besaß - wenn auch einige Reparaturen nicht schaden konnten. Das erregende Prickeln, das Cassie nun schon zu Beginn jedes neuen Projekts erwartete, hatte sich eingestellt - obwohl es heute von einem leichten, aber deutlichen Unbehagen gedämpft wurde. So sehr sie sich auch bei den Verhandlungen mit den Damen, die sie zu ihren Kundinnen zählte, auf ihre Geduld zugute hielt, fand sie es fast unmöglich, hier an diesem Platz, den der Butler ihr zugewiesen hatte, ruhig sitzen zu bleiben und zu warten, auf wen immer sie auch warten mochte.
Sie überließ sich der Rastlosigkeit, die von ihr Besitz ergriffen hatte, stand auf und durchquerte den Raum - ebenso sehr, um ihre Nerven zu beruhigen, wie um einen Adams-Kamin aus behauenem Marmor in näheren Augenschein zu nehmen. Es war der Gipfel der Ironie, dass sie sich nach ihrem unhöflichen Benehmen gegenüber Lord Berkley nun in seinem Haus wiederfand, um sich demnächst in seine
Dienste zu begeben - zwar auf Wunsch seiner Mutter, aber trotzdem. Merkwürdiger aber noch war, dass es auf ihren eigenen dringenden Wunsch hin geschah.
Als sie nach der Rückkehr vom Rennen und Lord Warrens anschließendem Fest Lady Berkleys Schreiben vorgefunden hatte, war ihr erster Impuls, den Auftrag abzulehnen. Das Geld brauchte sie ja nun wirklich nicht; es gab mehrere andere genauso reizvolle Projekte, die anzunehmen sie erwog, und die Vorstellung, ständig mit Lord Berkley zusammenzutreffen, behagte ihr gar nicht. Cassies Mutter, Lady Williams, fand Cassies Arbeit zwar nicht so empörend wie ihre Brüder, war aber andererseits auch nicht allzu begeistert. Dennoch hatte sie darauf bestanden, dass Cassie dieses Projekt annahm, weil, wie sie behauptete, Lady Berkley sich in letzter Zeit nicht wohlgefühlt habe und eine Renovierung ihres Hauses womöglich dazu beitrug, ihrer Gesundheit wieder auf die Sprünge zu helfen.
Auch betrachtete sie Lady Berkley als sehr liebe Freundin, und Cassie sollte dieses Projekt als persönlichen Gefallen übernehmen. Dies alles war ein bisschen merkwürdig. Cass hatte keine Ahnung gehabt, dass ihre Mutter Lady Berkley überhaupt kannte. Aber die Londoner Gesellschaft ähnelte ja in vielerlei Hinsicht einem Dorf, wo fast jeder alles über alle weiß, und wirklich überraschend war es da nicht, dass ihre Mutter die seine kannte.
»Sie sind das.« Ein amüsiertes Lachen ertönte von der Türe her.
Cassie holte tief Luft, drehte sich um und bemühte sich, möglichst unbeschwert zu klingen. »Ich hatte nicht erwartet, Mylord, Sie so rasch wiederzusehen.«
»Und doch sind Sie hier in meinem eigenen Haus.« Lord Berkley trat auf sie zu, ergriff ihre Hand und hob sie an seine Lippen. »Ich muss gestehen, ich bin erstaunt, aber sollte es vielleicht gar nicht sein.«
»Haben Sie mich denn erwartet?« Sie sah in seine grauen Augen und widerstand zum zweiten Mal an diesem Tage dem Drang, ihm ihre Hand zu entreißen. Und ignorierte gleichfalls das merkwürdige Verlangen, sie für immer der warmen
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