Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
Geld, sie wolle nur, dass wir ihr zuhören.«
»Ich muss in diese Wohnung in der Wollmar Yxkullsgatan kommen.«
»Joona«, seufzt Anja.
Sie befreit ein zweites Karamellbonbon vom Papier, hält es an Joonas Mund und spitzt ihre Lippen. Er nimmt das Bonbon in den Mund, Anja lacht entzückt und packt rasch ein weiteres aus. Sie beeilt sich, es an seinen Mund zu halten, aber es ist zu spät, er ist schon in den Aufzug gestiegen.
114
ÜBER EINER DER TÜREN IM ERDGESCHOSS des Hauses in der Wollmar Yxkullsgatan hängen Ballons. Im Innenhof singen helle Kinderstimmen. Joona öffnet die Tür mit der klappernden Scheibe und lässt den Blick über den Innenhof schweifen: ein kleiner Garten mit Rasen und einem Apfelbaum. In den letzten Strahlen der Abendsonne steht ein mit bunten Kuchentellern und Tassen, Ballons und Luftschlangen gedeckter Tisch. Eine schwangere Frau sitzt auf einem weißen Plastikstuhl. Sie ist geschminkt wie eine Katze und ruft den spielenden Kindern etwas zu. Der Anblick versetzt Joona einen sehnsuchtsvollen Stich. Plötzlich verlässt eines der Mädchen die Gruppe und läuft zu ihm.
»Hallo«, sagt sie, zwängt sich an ihm vorbei und rennt zu der Tür mit den Ballons.
Ihre nackten Füße hinterlassen auf dem weißen Marmorboden im Hauseingang Fußspuren. Sie öffnet die Tür, und Joona hört sie laut in die Wohnung hineinrufen, dass sie Pipi muss. Einer der Ballons löst sich, fällt herab und begegnet seinem rosa Schatten auf dem Boden. Joona sieht, dass das ganze Treppenhaus von den Spuren nackter Füße übersät ist: Bis zur Haustür und zurück, treppauf und treppab, am Müllschlucker vorbei und zur Kellertür.
Joona steigt zum zweiten Mal zu der Dachgeschosswohnung hinauf und klingelt an der Tür. Er betrachtet das Messingschild mit dem Namen Horácˇková und das vergilbte Stück Klebeband mit dem Namen Lundhagen.
Gedämpft dringen die Stimmen der Kinder im Innenhof zuihm herauf. Er klingelt noch einmal und hat gerade ein Etui mit Dietrichen herausgezogen, als ein Mann mit struppigen Haaren, der zwischen dreißig und vierzig Jahre alt ist, die Tür öffnet. Die Sicherheitskette ist nicht vorgelegt, sie wippt klirrend gegen den Türrahmen. Alte Post und Reklame bedecken den Fußboden in dem engen Eingangsflur. Eine weißgestrichene Backsteintreppe führt in die Wohnung hinauf.
»Tobias Lundhagen?«
»Wer will das wissen?«, erkundigt sich der Mann.
Er trägt ein kurzärmliges Hemd und eine schwarze Jeans. Seine Haare sind starr von Gel, und sein Gesicht hat eine gelbliche Farbe.
»Landeskriminalpolizei«, antwortet Joona.
»No shit«, sagt der Mann und lächelt überrascht.
»Darf ich hereinkommen?«
»Das passt jetzt gar nicht, ich wollte gerade los, aber wenn …«
»Sie kennen Vicky Bennet«, unterbricht Joona ihn.
»Es wird vielleicht doch das Beste sein, wenn sie kurz hereinkommen«, sagt Tobias Lundhagen ernst.
Als Joona die kurze Treppe hinaufsteigt und in eine Dachgeschosswohnung mit Schrägen und Fenstergauben gelangt, wird ihm plötzlich das Gewicht seiner neuen Pistole im Schulterhalfter bewusst. Auf einem flachen Tisch steht eine Tonschüssel mit Süßigkeiten. An einer Wand hängt ein gerahmtes Plakat, auf dem eine Art Gothic Queen mit Engelsflügeln und großen Brüsten abgebildet ist.
Tobias Lundhagen setzt sich auf die Couch und versucht, eine schmutzige Reisetasche zu schließen, die neben seinen Beinen auf dem Fußboden liegt, gibt jedoch auf und lehnt sich zurück.
»Sie wollten über Vicky sprechen«, sagt er, streckt sich nach der Tonschüssel und nimmt eine Handvoll Süßigkeiten heraus.
»Wann haben Sie zuletzt von ihr gehört?«, fragt Joona und blättert in den ungeöffneten Briefen auf einem Sideboard.
»Tja, mal sehen«, antwortet Tobias seufzend. »Ich weiß es nicht. Das muss jetzt fast ein Jahr her sein, sie rief mich an aus … verdammt«, unterbricht er sich, als ihm Bonbons herunterfallen.
»Was wollten Sie sagen?«
»Nur, dass sie mich angerufen hat … aus Uddevalla, glaube ich, sie hat ziemlich rumgelabert, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, was sie eigentlich wollte.«
»Keine Gespräche im letzten Monat?«
»Nein.«
Joona öffnet eine kleine Holztür zur Kleiderkammer. Vier Tisch-Eishockeyspiele stehen dort in ihren Originalverpackungen, und auf einem Regalboden liegt ein verkratztes Notebook.
»Ich muss jetzt wirklich los«, sagt Tobias Lundhagen.
»Wann hat sie hier gewohnt?«
Tobias Lundhagen versucht erneut, die große
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