Flammenpferd
die Tür aufriss, stieß sie mit einem Mann zusammen und wäre gefallen, hätte er sie nicht aufgefangen. Seine kräftigen Hände packten ihre Oberarme, und Kati schrie und trat ihm gegen die Beine. Er griff härter zu und schob sie in die Küche zurück. Dort ließ er sie los und stellte sich vor die Tür. Es war der Mann, der Hella neulich besucht hatte. Der Mann in den schwarzen Sachen. Der Totengräber. Jetzt trug er verwaschene Jeans und einen grauen Pullover. Kati funkelte ihn wütend an.
Er lächelte verwundert und stützte die Hände in die Seiten. „Ich wollte eure Diskussion nicht stören.“
Hella strich sich über die Stirn und schob die Haare hinter das Ohr. Als sie die Hand zurückzog, hatte sie Blut an den Fingern. Erst jetzt bemerkte Kati die Platzwunde auf Hellas Stirn. Gut so, stellte sie kühn fest.
Hella schaute verwundert auf ihre Hand. Der Riss lag dicht unter dem Haaransatz, und das Blut rann in einer schmalen senkrechten Linie auf die rechte Augenbraue herab und tropfte von dort auf Hellas Wange.
„Hella, sie hat dich verletzt!“, rief Jette erschrocken.
Auch der Mann schaute auf Hella, und Kati nutzte die Ablenkung zur Flucht und wollte an ihm vorbei stürmen, aber er schnappte sie am Arm. Ihr Oberarm schmerzte heftig, als er sie endlich los ließ. Sie ließ sich nichts anmerken. Sein Griff war gröber als nötig gewesen, um sie fest zu halten; eine stumme Rache für ihre gezielten Tritte. Kati wusste, ihr war ein verhängnisvoller Fehler passiert. Nicht, dass sie es im Geringsten bedauerte, Hella verletzt zu haben. Aber sie hatte ihr einen handfesten Grund geliefert, sie tatsächlich fortzuschicken.
24
Die Wunde blutete stark, schmerzte aber kaum. Hella fühlte sich benommen. Hinter den Schläfen pochte es dumpf, und ihre Knie hatten die Konsistenz von Pudding angenommen. Jette stand abwartend vor dem Tisch, die Arme wie einen Schutzschild vor der Brust verschränkt. Aus ihrer angespannten Miene las Hella den stillen Vorwurf heraus, dem Mädchen gegenüber von Anfang an viel zu großzügig gewesen zu sein. Julian schaute besorgt. Ihr entging nicht, wie scharf er Jana im Blick behielt. Das Mädchen hatte sich in die Nische neben dem Kühlschrank verkrochen und hielt den Kopf mürrisch gesenkt. Die Flasche Bad Pyrmonter lag auf dem dunklen Fliesenboden. Das Glas war heil geblieben. Hella überlegte, die Flasche aufzuheben, konnte sich aber nicht zum Aufstehen durchringen. Am liebsten hätte sie sich rücklings auf die Bank fallen lassen. Die Haustür klappte, und dann drückte jemand auf die Klinke der Küchentür. Julian trat zur Seite und ließ Maren herein.
„Wo steckt Jana? Wenn sie nicht sofort mitkommt, kann sie’s lassen. Dann bin ich nämlich fertig“, zeterte sie. Ihr Blick fiel auf Hella, die sich das Taschentuch auf die Stirn drückte. „Was ist los?“
Jette löste umständlich die Arme aus der Verschränkung, als würde es eine besondere Kraft erfordern, und setzte sich auf den einzigen Stuhl. „Jana ist durchgedreht. Sie hat Hella mit einer Flasche Pyrmonter beworfen!“
Maren blieb der Mund offen. „Und jetzt?“, fragte sie schließlich. „Was wird jetzt?“
Hella nahm das Taschentuch herunter. Es war das weiße Stofftaschentuch, das Julian ihr im Schuppen geliehen hatte. Der Blutfleck würde nie wieder raus gehen. „Bitte Maren, erledige die restliche Arbeit allein. Und du, Jana, verschwindest in deinem Zimmer und lässt dich heute Abend nicht mehr blicken. Bis Morgen früh hast du den Hof verlassen. Deinen restlichen Lohn findest du auf der Treppe. Raus jetzt!“
Jana kam aus der Nische hervor, ohne den Blick zu heben. Die verfilzten roten Haare hingen ihr struppig in das trotzig verschlossene Gesicht. Ein besserer Mensch würde sie nach den Gründen fragen, dachte Hella, aber ihr fehlte die Kraft, sich mit dem Gefühlsleben einer Zwanzigjährigen auseinander zu setzen. Sie hatte genug für das Mädchen getan. Ihre Geduld war erschöpft.
Julian behielt Jana im Blick. Als sie einen Bogen um ihn herum schlug und sich mit flinken Schritten zur Tür flüchtete, erkannte Hella, dass Jana Angst vor ihm hatte. Maren folgte dem Mädchen nach draußen. Auch Jette verließ die Küche, um im Bad nach einem Pflaster zu sehen.
„Ich dachte, wir könnten uns den Gewölbekeller ansehen“, sagte Julian, als sie allein waren.
„Ich habe noch nicht nach dem Schlüssel gesucht“, bekannte sie.
Er lächelte. „Ich habe alles dabei, was einem Einbrecher
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