Flammentod
unserer Firma loslasse, wollte ich, daß er erst mal einen Kunden kennenlernt.«
Das ergab in meinen Augen ein komisches Bild. Rudolf Diepeschrath hatte seinen Vertriebsjob, andererseits mischte er in der Baufirma seines Bruders mit, die keine Aufträge mehr ausführte. Was hatte er da eigentlich zu tun? Das beste war, ich fragte ihn selbst.
Die Adresse lautete Siegburger Straße in Overath. Ich holte den Stadtplan und stand vor einem Problem: Overath war nicht mehr drauf. Der Ort lag rechts vom rechten Rand, der gerade noch anzeigte, wie man nach Hoffnungsthal und in die Richtung von Overath kam, doch es war gar nicht daran zu denken, eine bestimmte Straße zu finden. Ich mußte mir erst einmal einen anderen Plan besorgen. Oder nach Overath fahren und dort fragen. Bei dem mysteriösen Herrn Schmitz sah es nicht anders aus. Der wohnte ebenfalls in einem Ort, der außerhalb des Stadtplans lag: Engelskirchen. Wo sich das wohl befand? Es klang für mich wie Klein-Kleckersdorf. Aber immerhin gab es da jemanden, der Zigaretten und Süßigkeiten verkaufte. Womöglich sogar Zeitschriften! Aus der großen, weiten Welt.
Ich ärgerte mich, daß ich mir kein vernünftiges Kartenmaterial besorgt hatte. Diese Probleme hatte Marlowe sicher nie, dachte ich. Der ermittelte ja auch in Los Angeles - einer Stadt, die er wie seine Westentasche kannte. Einen Moment lang bekam ich fast so etwas wie Heimweh nach Wuppertal. Reiß dich zusammen, sagte ich mir und überflog noch einmal meine Notizen. Ich blieb an einem Namen hängen.
Manscheit! Den hatte ich fast vergessen. Ich mußte mit Manscheit reden. Einer der wenigen hoffentlich normalen Menschen, die mir zur Verfügung standen, die mit Diepeschrath Geschäfte gemacht hatten und die höchstwahrscheinlich bereit waren, etwas dazu zu sagen. Ich tippte die Nummer in mein Handy und ließ es eine Weile klingeln. Doch es war genau wie gestern. Niemand hob ab.
Ich sah auf die Uhr. Es war halb fünf. Ich hatte noch nichts gegessen. Mir fiel ein, daß ich gleich in der Nähe einen Imbiß gesehen hatte.
»Grillstube am Rathaus« hieß der Laden, und ich bestellte ein großes Gyros mit allem drum und dran.
Während ich auf mein Essen wartete, blickte ich gelangweilt aus dem Fenster. Von hier aus war der kleine Parkplatz, auf dem ich vorhin gestanden hatte, gut einsehbar. Auch die Parkplätze von Morganas Hexentruhe waren deutlich zu sehen, dahinter die Spazierwege an der Sülz.
Jemand überquerte die Straße. Es war eine aus dem Hexentrio. Angelika Diepeschrath - in einen weißen Trenchcoat gekleidet. Einen Moment lang beobachtete ich sie, dann machte sich in meinem Kopf ein Gedanke breit, der mir gar nicht gefiel. Eine Bemerkung, die heute gefallen war. Während sie auf der anderen Seite ankam und zu den reservierten Plätzen ging, kam ich drauf. Gerd Diepeschrath hatte gesagt, daß sie ganz sicher bis um sechs arbeiten würde.
Er hat eben gelogen, dachte ich, oder er hat es nur so dahingesagt.
Aber wenn nicht?
Mittlerweile suchte sie in einer schwarzen Umhängetasche etwas, wahrscheinlich den Autoschlüssel. Sie stand neben dem dunkelgrünen Ford Fiesta, anscheinend ihr Wagen.
Was konnte es schaden, sie ein bißchen unter die Lupe zu nehmen?
»Einmal Gyros komplett«, wurde ausgerufen, und ich stand auf.
»Tut mir leid, aber ich muß weg«, rief ich dem verdutzten Griechen hinter der Theke zu, friemelte einen Zwanzigmarkschein heraus und legte ihn auf die Glasplatte. Dann machte ich, daß ich in mein Auto kam.
Als ich um die Ecke bog, rollte Angelika Diepeschraths Fiesta vom Parkplatz.
Sie schien nicht zu bemerken, daß ich sie verfolgte, dabei waren wir ganz allein auf der Landstraße. Es ging zuerst durch ein Waldstück den Berg hinauf, dann öffnete sich der Blick mit Wiesen, Weiden und kleinen Wäldchen.
Mir war sofort klar, daß Angelika Diepeschrath nicht nach Bensberg fuhr. Es ging weiter Richtung Osten, an kleinen Weilern vorbei. Einmal bogen wir ab, und ich sah das Ortsschild Honrath. Dann ging es in ein weiteres Tal hinunter. Ein gelber Wegweiser zeigte an, daß wir uns auf der Bundesstraße in Richtung Overath befanden.
In diesem Moment passierte es, und ich hätte mir wirklich in den Hintern beißen können, daß ich nicht früher daran gedacht hatte. Die Ölwarnung begann zu blinken, und mir war klar, daß ich sofort anhalten mußte. Es gab keinen Seitenstreifen, und so hielt ich nach der nächsten Abbiegung Ausschau. Alles, was ich sah, war ein malerisches
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