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Flammentod

Flammentod

Titel: Flammentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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der aufziehenden Dämmerung. Die Straße spulte sich wie ein schwarzes Fließband vor mir ab, nur hin und wieder wurde der nasse Asphalt von grellen Neonreklamen beleuchtet. Bis ich in Engelskirchen war, kam ich an massenhaft Autohäusern und undefinierbaren Firmen mit englischen Phantasienamen vorbei. Wenn ich nicht gewußt hätte, daß sich hinter der Wand aus Dunkelheit die grünen Hügel verbargen - ich hätte den Eindruck gehabt, permanent durch ein Industriegebiet zu fahren. Immerhin gab es zwischendurch auch ein paar hingewürfelte Mietskasernen mit vorgestreckten Balkonbatterien. Auf diese Weise wechselte sich der Eindruck zumindest ein bißchen ab - zwischen Industriegebiet und Trabantenstadt.
    Die Häuserzeilen links und rechts verdichteten sich wieder, und die Hauptstraße wurde zur Durchgangsroute, als ich nach Engelskirchen hineinfuhr. Rechts traten die Häuser zurück; dort gab es einen kleinen Platz, an dessen Ende der Bahnhof lag.
    Ich parkte den Wagen, stieg aus und spürte, wie mich das Geniesel zu durchnässen begann. Im hinteren Bereich des kleinen Platzes ging rechts eine schmale Straße ab. Sie säumte die Nebengebäude des Bahnhofs, die mit schnörkeligen Graffiti verziert waren. Weit weg dahinter, hoch oben an den Bergen, lief eine endlose Kette von langsam dahintreibenden gelblichen Lichtern vorbei. Darunter hob sich etwas Graues ab; ein querliegendes Band vor dem Schwarz des Himmels. Es war eine Autobahnbrücke über der Stadt.
    Der Kiosk von Josef Schmitz befand sich im Parterre eines mehrstöckigen Wohnhauses. Die Rolläden waren heruntergelassen. Neben dem Fenster lehnte einsam eine Langnese-Eistafel in der Dunkelheit. Direkt daneben befand sich die Haustür. Ich drückte die oberste Klingel. Daneben stand der Name Schmitz.
    Eine Weile hörte ich nur dem Rauschen des stärker werdenden Regens zu, dann ertönte von oben ein klirrender Knall, und eine Frauenstimme rief: »Ja bitte?« Ich trat von der Tür weg und blickte hoch. Es war kaum etwas zu sehen, Regentropfen fielen mir ins Gesicht, und so rief ich blind in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war: »Ich möchte Herrn Josef Schmitz sprechen.«
    »Gehen Sie mal da rüber«, schallte es herunter. »Der ist im Bahnhof.« Es klirrte wieder.
    Ich suchte am Bahnhof einen Eingang und stellte fest, daß es sich bei dem Gebäude nur noch um eine Attrappe handelte. Das Ganze hatte mit Bahnen oder mit Verkehrsanbindung nichts mehr zu tun. Wo man früher noch Fahrkarten gekauft und auf den Zug gewartet hatte, gab es jetzt Geschäfte für Fotoartikel und Sportwaren.
    Das einzige, das noch funktionierte wie eh und je, war die Gaststätte. Der weiß leuchtende Schriftzug über dem Eingang wurde sinnigerweise von dem Bild einer kleinen schwarzen Lokomotive unterstützt. Ich ging unter der obligatorischen Bierreklame durch, stellte fest, daß man hier Erzquell Pils trank, und betrat den Raum. Drei Gestalten saßen verteilt an der Bar und hörten Wolfgang Petry zu, der etwas über »Wahnsinn« in die Kneipe schmetterte. Mir fiel das Gyros ein, das mir durch die völlig überflüssige Verfolgungsaktion durch die Lappen gegangen war; ich hatte aber auf eine Frikadelle keine Lust.
    Der Wirt stellte mir stumm ein Pils hin. Ich nickte dankend und versuchte herauszufinden, wer von den dreien Schmitz sein könnte. Aus den Akten wußte ich, daß er achtundfünfzig Jahre alt war, und damit fiel einer der drei schon raus, denn der war ein Jüngelchen, das andauernd auf die Uhr sah und hektisch an einer Zigarette zog. Vermutlich hatte er um acht ein Rendezvous und überbrückte die Wartezeit mit dem ersten selbstbestellten Bier seines Lebens.
    Ich nahm die beiden anderen in Augenschein. Der eine hatte eine blaue Bauarbeiterhose an, aus deren Seitentasche ein Zollstock ragte; an seinen Schuhen klebte Matsch, der sich in kleinen Krümeln bereits unter dem Barhocker verteilt hatte. Also mußte der dritte Josef Schmitz sein. Ich beobachtete ihn eine Weile.
    Er hatte die Marotte, jedesmal mit der rechten Hand über seine pomadierten grauen Haare zu streichen, bevor er einen Schluck aus dem Bierglas nahm. Jeden Schluck genoß er, als sei er ein Weinkenner bei der Verkostung eines Lafitte Rothschild. Er stellte das Glas erst wieder ab, nachdem er ein bißchen auf dem Bier herumgekaut hatte. Ein Gourmet in der Bahnhofskneipe - wer hätte das gedacht?
    Nach einer Weile holte er Zigaretten hervor und steckte sich eine in den Mund. Er klopfte die Taschen seiner

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