Flashback
wusste, dass an dieser holprigen alten Nebenstraße nach ungefähr zehn Kilometern das kleine Dorf Tesuque lag, wo früher nicht wenige alternde Filmstars und Starlets gewohnt hatten. Die Berge über dem engen, waldbewachsenen Tal eigneten sich hervorragend, um ein großes Anwesen zu verstecken, und Nick vermutete, dass Don Chosch-Achmed Nuchajews Hacienda irgendwo zwischen Santa Fe und Tesuque lag.
Er behielt recht.
Nach gut sechs Kilometern bog der Mercedes rechts ab und folgte einer Kiesstraße durch einen Hohlweg bis zu einer breiteren, asphaltierten Zufahrt, die sich durch einen Pappelwald, eine Wiese mit braunem Gras und einen Kiefernhain hinauf zum Berggipfel wand. Ein wenig zurückversetzt von den Kurven bemerkte Nick getarnte Bunker; sofern es nicht noch eine andere Zufahrt gab, war das Gelände sehr gut gegen Fahrzeuge und Bodentruppen zu verteidigen.
Wie sich herausstellte, verfügte die Hacienda des Don über mehr Sicherheitsebenen als Mr. Nakamuras Anwesen in der Grünzone
über Denver. Es gab drei Mauern mit Toren, und die achthundert Meter breiten Zonen zwischen ihnen waren echte Todesstreifen, die mit sichtbaren Türmen und verborgenen Geschützstellungen bewacht wurden. Dazu kamen zwei CMRI-Scans für das Auto und drei für Nick und seine Aufpasser.
Als sie, wie er annahm, das Hauptgebäude erreichten, wurde Nick in einen explosionssicheren Raum ohne Fenster gebracht, wo ihn andere Männer in Guayaberas röntgten und ihn bis in die Körperöffnungen filzten. Er war in ziemlich übler Stimmung, als ihn der letzte Wachmann in ein großes Zimmer mit hohen Fenstern führte und ihn aufforderte, Platz zu nehmen. Angesichts der Bücherregale und des riesigen, lederbezogenen Schreibtischs vermutete Nick, dass es sich um Don Chosch-Achmed Nuchajews Arbeitszimmer handelte.
Wenn er reinkommt, muss ich ihn als Erstes fragen, wie ich ihn anreden soll. Dieser Zungenbrecher »Don Chosch-Achmed Nuchajew« geht mir allmählich auf die Nerven.
Nick stand auf, als sich die Tür öffnete, doch der Eintretende war nicht der Don. Vier neue Wachleute schoben sich herein. Der Größte und Älteste steuerte direkt auf Nick zu und bedeutete ihm schweigend, dass er die Arme heben sollte.
»Das soll wohl ein Witz sein«, protestierte Nick. »Die anderen haben mich doch schon … «
Den Mann von hinten bemerkte er nicht. Aber den Taser spürte er.
Sein letzter Gedanke, als er schon stürzte und seine Nervenenden durcheinandergeschleudert wurden wie Rühreier, war Scheiße.
Dann war er hinüber.
Nick kam in langsamen Schüben zu sich, wie immer nach einer Taserattacke. Die erste Phase war geprägt von Verwirrung und dem allmählich einsetzenden, benommenen Bemühen, sich nicht in die
Hose zu pinkeln. Dann folgten Schmerz und Zucken und nachlassende Konfusion. Zuletzt der Versuch, sich aufs Atmen zu konzentrieren.
Nick war an Händen und Füßen gefesselt – die Blutzirkulation funktionierte halbwegs, da die Hände vor dem Bauch lagen. Seine Augen waren verbunden, er war geknebelt, und über seinen Oberkörper war ein Tuch gebreitet. Erst nach einer weiteren Minute dämmerte ihm, dass er nicht taub geworden war; man hatte ihm einen schalldichten Gehörschutz aufgesetzt.
Trotzdem konnte ihm nicht entgehen, dass er sich in einem fahrenden Wagen befand. Die Vibrationen und das Rütteln bei Kurven und holprigen Stellen waren unverkennbar. Also war er entweder im Kofferraum oder auf der Rückbank eines Fahrzeugs und wurde irgendwo hingebracht.
Eine weitere Sicherheitsmaßnahme oder bin ich eine Geisel , dachte er, als sich der Nebel in seinem Kopf allmählich lichtete. Keine der beiden Möglichkeiten erschien ihm sinnvoll. Warum sollte man ihn in die Hacienda einladen und ihn dann an einen anderen Ort verschleppen? So behandelte man doch keinen Gast. Und welchen Wert sollte er als Geisel haben? Glaubte Don Chosch-Achmed Nuchajew vielleicht, dass Nakamura ein Lösegeld für Nick zahlen würde?
Oder war der Tschetschene der Meinung, dass Nick etwas Wichtiges wusste? Wenn es das war, dann musste Nick damit rechnen, dass ihm nur noch eine kurze Zukunft mit Folter und Hinrichtung bevorstand.
Weiß ich irgendwas, das für diesen russischen Waffenschmuggler, Drogenhändler und Möchtegernmachtpolitiker von Bedeutung ist? Falls ja, dann fiel es ihm einfach nicht ein.
Als ehemaliger Polizist wusste Nick, dass man nach einem Taserstoß ungefähr fünfzehn Minuten lang bewusstlos war (wenn er nicht, was häufiger vorkam, als
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