Flashback
zwei Passwörtern geschützt. Das eine ist Kildare , der Name ihres Wellensittichs. Das ist für die Textdateien. Das andere ist Traum . Damit kommst du zu dem Filmmaterial. Beides stammt aus der
Zeit vor ihrem Tod, Nick. Den Text habe ich verstanden, er ist wichtig. Sehr wichtig. Wichtiger als die Suche nach Val. Du musst ihn unbedingt lesen … Schau dir auch die Filme an. Ihr Tagebuch …, die Notizen, die sie für dich gemacht hat. Ich glaube … damit ändert sich alles.«
Nick fuhr zusammen. Wichtiger als die Suche nach Val? Was konnte für Vals Großvater größere Bedeutung haben? Und für Nick?
»Geh jetzt«, flüsterte Leonard. »Schau dir die Dateien an. Sofort. « Mit lauter Stimme sagte er: »Dr. Tak wird mir beim Anziehen helfen, damit ich mich reisefertig machen kann, nicht wahr, Sir?«
Erneut runzelte Tak die Stirn. »Sie sollten in der nächsten Zeit keine Reisen unternehmen, Professor Fox. Sie müssen sich ausruhen. Mehrere Tage.«
»Ja, ja«, antwortete Leonard. »Aber Sie helfen mir trotzdem beim Anziehen, oder? Dann kann Nick inzwischen was erledigen. Da ich nicht zu den vier Prozent gehöre, die an einer Überraschung sterben, möchte ich jetzt den kargen Rest meines Lebens fortsetzen. «
Immer noch stirnrunzelnd nickte Dr. Tak.
»Ich bin in ein paar Minuten wieder da, Leonard.« Nick zog Dr. Tak beiseite und drückte ihm sämtliche größeren Scheine in die Hand, die ihm von Nakamuras Vorschuss noch geblieben waren. Damit hatte er noch dreißig alte Dollar in bar und nichts auf der NICC. Aber das spielte keine Rolle.
»Das ist zu viel«, wehrte Dr. Tak ab.
Nick schüttelte den Kopf. »Sie haben mir früher schon geholfen, und da konnte ich Ihnen nicht genug geben. Und Sie können es auf die Tabletten anrechnen, die Leonard für die unmittelbare Zukunft braucht. Wenn ich das Geld behalten würde, würde ich es sowieso nur für Wein, Weib und Gesang rausschmeißen.« Noch
einmal drückte er dem alten Mediziner die Hand. »Vielen Dank, Dr. Tak.«
Im Gang wartete Gunny G. schon darauf, Nick Vals Fluchtroute zu zeigen. Da sie anscheinend mehr oder weniger auf dem Weg zu seiner Wabe lag, folgte Nick dem stämmigen Exmarine, der wie ein junger Rekrut die reglose Rolltreppe hinaufsprintete. Nick bewegte sich steifer, um die lädierten Rippen zu schonen.
»Das hat mein Junge gemacht?« Nick stand im Zwischengeschoss und starrte erst auf das Kabel – das er selbst bestimmt nie erreicht hätte – und dann hoch zu der zerborstenen Dachluke zwölf Meter weiter oben.
»Ja.« Auch Gunny G. war die Bewunderung anzumerken. »Mit ungefähr zehn Kilo Kletterseil und Karabinern über der Schulter. Als ich ihn und den alten Professor reingeführt habe, dachte ich mir irgendwie: Und nach so einem schmächtigen Kerl soll der Heimatschutz fahnden?«
Eigentlich wollte Nick darüber hinweggehen, aber dann konnte er sich die Bemerkung doch nicht verkneifen. »Kein schlechter Sprung für einen schmächtigen Kerl.«
Gunny G. tippte den Zugangscode ein, und sie stiegen die Treppe zum Dach hinauf. An der Dachluke hielt Nick kurz inne, um einen Blick zu riskieren. Bis zu den verstreuten Glasscherben in dem mit Erde gefüllten Brunnen ging es weit hinunter. Dann folgte er den Blutflecken bis zu einer Ecke des Dachs.
»Ich hab das Seil eingezogen und aufgerollt, aber an der Befestigung gelassen«, erklärte Gunny.
Das viele Blut beunruhigte Nick. Offenbar hatte sich sein Sohn bei der Kletterpartie eine böse Schnittwunde zugezogen.
Gunny deutete hinunter zur Südwand der Parkgarage. »Die Überwachungskamera hat nur ganz verschwommen aufgenommen, wie dein Sohn da runtergerutscht ist, aber danach ist er rüber
zur Brücke gegangen, das ist auf den Bildern gut zu erkennen. «
»Was hat er dort gemacht?«
Der Wachmann zuckte die Achseln. »Ich schätze, dass er irgendwo da eine Waffe versteckt hatte, aber er hatte eine Jacke an, deswegen war nichts zu sehen. Er war eine Weile auf der anderen Seite der Brücke, dann ist er nach Westen losgezogen – eigentlich eher gehumpelt. Ich war damit beschäftigt, deinen Schwiegervater zu Dr. Tak zu bringen, aber als ich später Zeit hatte, bin ich raus zur Brücke gegangen. Der Junge hat anscheinend ziemlich stark geblutet. «
»Schlimm?« Nicks Stimme hatte etwas Brüchiges. Jetzt fällt dir auf einmal ein, den besorgten Daddy zu spielen, du Blödmann.
»Muss wahrscheinlich genäht und desinfiziert werden«, meinte Gunny. »Aber verbluten wird er bestimmt nicht.
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