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Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Titel: Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Bestätigung.
    »Was ist denn passiert?«, fragte der Vikar nun fast zaghaft. »Sie muss sich … sehr erschreckt haben.«
    »Das ist eine lange Geschichte.«
    »Erzähl sie mir«, sagte er sanft. »Wir haben die ganze Nacht Zeit.«
    Was ich unter anderem an unserem Vikar Denwyn Richardson so mag, ist, dass er mich nimmt, wie ich bin. Er stellt keine idiotischen Fragen.
    Zum Beispiel will er nicht wissen, warum ich um drei Uhr früh mit Graberde verdreckt in seiner Kirche hinter der Wandtäfelung hervorkomme.
    Er will nicht wissen, warum ich nicht zu Hause bin und in meinem warmen Bettchen süße Kinderträume träume.
    Kurz gesagt, er behandelt mich wie eine Erwachsene.
    Das ist ein Geschenk.
    Für uns beide.
    Darum brach ich ausnahmsweise mit meiner eisernen Regel und übernahm nicht nur Verantwortung, sondern gab auch freiwillig Informationen preis.
    »Ich glaube, ich bin schuld«, sagte ich. »Ich habe Ihre Frau erschreckt. Sie hat mich wohl mit jemandem verwechselt.«
    Der Vikar zog bekümmert die Augenbraue hoch. Das reichte schon, damit ich weitersprach.
    »Sie hat ›Hannah‹ gesagt. Dann ist sie zusammengeklappt.«
    Eine jener langen Pausen entstand, in denen man schon deshalb, weil sie einem peinlich sind, etwas sagen will, aber aus Furcht davor, dass es dann womöglich noch peinlicher wird, dann doch lieber schweigt.
    »Hannah …«, wiederholte er gedehnt. »Hannah war … unsere Tochter.«
    Ich spürte, wie sich eine erdrückende Last auf mir niederließ, so schwer wie das ganze Universum, aber dennoch unsichtbar.
    Ich schwieg.
    »Sie wurde nur vier Jahre alt«, fuhr der Vikar fort. »Ich habe sie umgebracht.«

14
    D as verschlug mir den Atem.
    »Ganz bestimmt nicht!«, stammelte ich schließlich.
    Wieder verging eine Ewigkeit, bis der Vikar weitersprach: »Es war vor sieben Jahren, in der Weihnachtswoche. Ich hatte Hannah zum Bahnhof in Doddingsley mitgenommen, wo ich wie jedes Jahr die Stechpalmen für die Kirche abholen wollte. Hannah war völlig begeistert von Weihnachten … und sie wollte immer überall dabei sein. Auf dem Bahnsteig hielt mich jemand auf, ein ehemaliges Gemeindemitglied, eine Frau, die ich seit Jahren nicht mehr gesehen hatte … Sie wollte mir schöne Weihnachten wünschen, und ich habe Hannahs Hand losgelassen, nur ganz kurz, verstehst du, aber … aber dann … Der Zug … der Zug …«
    Tränen liefen ihm über die Wangen.
    Ich sah, wie meine Hand nach der seinen fasste.
    »Ich habe ihr noch etwas nachgerufen, wollte sie aufhalten …«
    »Das tut mir leid«, sagte ich und spürte im selben Augenblick, wie nutzlos solche Beileidsfloskeln sind, auch wenn uns manchmal nichts anderes zu sagen bleibt.
    »Das tut mir wirklich leid«, wiederholte ich.
    »Wenn sie noch am Leben wäre«, sagte der Vikar mit tränenumflorten Augen, »dann wäre sie heute in deinem Alter. Cynthia und ich sagen oft zueinander, wie sehr du …« Er unterbrach sich. »Cynthia und deine Mutter sind nämlich dicke Freundinnen, Flavia. Sie waren zur selben Zeit schwanger.«
    Wieder fand sich ein Teil des unvollständigen Puzzles, das Harriet für mich darstellte.
    »Das tut mir leid«, sagte ich zum dritten Mal. »Das wusste ich nicht.«
    »Wie auch? Die braven Leute hier im Dorf haben sich darauf verständigt, Stillschweigen darüber zu bewahren. Niemand spricht über Hannahs Tod. Sie glauben, dass wir nichts merken, aber … wir wissen natürlich, was los ist.«
    »Trotzdem dürfen Sie sich keine Vorwürfe machen!«, platzte ich heraus. Wut stieg in mir hoch. »Es war nicht Ihre Schuld. Es war ein Unfall.«
    Der Vikar lächelte mich nur traurig an und gab mir damit zu verstehen, dass meine Worte nichts daran ändern konnten.
    »Wo liegt Ihre Tochter denn begraben?«, fragte ich mit plötzlicher Kühnheit. Ich nahm mir vor, öffentlich ein paar Blumen auf das Grab des kleinen Mädchens zu legen und dem lächerlichen Schweigegebot ein Ende zu setzen.
    »Hier. Auf dem Friedhof. Nicht weit vom Cottlestone-Grab. Erst konnten wir uns keinen Stein leisten. Das Gehalt eines Landpfarrers ist nicht gerade … na ja, und irgendwann war es dann zu spät. Trotzdem geht Cynthia noch oft hin, aber ich fürchte, dass sie …«
    Als mir die schreckliche Bedeutung seiner Worte aufging, lief es mir eiskalt den Rücken herunter.
    Ihre Tochter war an der Stelle begraben worden, an der mich Cynthia dem Erdboden hatte entsteigen sehen. Und danach in der Kirche …
    Wie konnte ich das je wieder gutmachen?
    »Sie hat mich für

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