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Fleisch ist mein Gemüse

Fleisch ist mein Gemüse

Titel: Fleisch ist mein Gemüse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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bloßerzählen? Herzinfarkt? Lungenembolie? Magendurchbruch? Ich konnte auf gar keinen Fall spielen. Mühsam krabbelte ich zum Telefon.
    «Musikhaus
Da capo
, mein Name ist Beckmann, guten Tag.»
    Lallend meldete ich mich. «Hallo, hier ist Heinz.»
    «Moin, Heinzer, wo geiht? Du klingst ja lustig. Hast schon einen genommen? Aber bis heute Abend bist du wieder nüchtern!»
    «Neenee, ich hab gar nichts getrunken. Ganz schlechte Nachrichten, ich kann leider nicht spielen.»
    «Das kannst du mir nicht antun. Was ist los?»
    Es bereitete mir Mühe, einigermaßen deutlich zu sprechen. «Letzte Nacht musste der Notarzt kommen. Mein einer Weisheitszahn ist total entzündet und vereitert, der muss Montag gleich raus. Er hat den jetzt notdürftig gemacht, aber spielen kann ich so auf keinen Fall.»
    Das mit dem Lallen war natürlich gut.
    «Och nee, gerade heute Abend! Die Leute wollten unbedingt ’nen Bläser. Und ich hab extra damit Werbung gemacht, dass wir so einen guten Saxophonisten haben.»
    «Tut mir Leid, aber das ist höhere Gewalt, das kannst du denen ja so sagen.»
    «So krank hörst du dich nun auch wieder nicht an.» Er war mitleidlos. «Pass auf, Heinzer, ich hab hier noch starke Schmerzmittel. Wir machen das einfach so: Einer von den Jungs holt dich direkt von zu Hause ab und bringt dich auch wieder, du musst dich um nichts kümmern. Du brauchst auch nur ganz wenig zu spielen. Hauptsache ist, da steht jemand mit ’nem Saxophon rum.»
    Aha, so war das also. Hauptsache, da steht jemand rum.
    «Hör mal, Heinz, ich kann das dem Veranstalter gegenüber echt nicht bringen.»
    Was sollte ich nur machen? Ich gab auf. «Aber ich kann für nichts garantieren.»
    «Weißt du was, Heinzer, das finde ich super von dir. Das werde ich dir nicht vergessen. Also, leg dich wieder hin, um halb sechs wirst du abgeholt.»
    Torsten holte mich ab. Im Auto schlief ich sofort ein. Als ich schließlich in den Festsaal torkelte, blickten mich die Kollegen teilnahmsvoll an.
    «Echt super, Heinzer. Du brauchst auch nicht jeden Set zu spielen. Hauptsache, du bist da, und der Veranstalter sieht die Instrumente.»
    Ich spielte in preußischer Pflichterfüllung natürlich doch jeden Set. Wie ich diese sechs Stunden überstanden habe, weiß ich nicht mehr. Oft war ich kurz davor, einfach loszubrüllen, eine meiner vielen Zwangsvorstellungen. In einem völlig unpassenden Moment losbrüllen wie ein Ochse. Vielleicht hätten die Kollegen ja auch einen Gag daraus gemacht.
Und da meldet sich auch schon unser Saxophonist Heinz zu Wort! Normalerweise an den Blasinstrumenten, doch heute singt er den neuen Titel der
Dead Kennedys.
Und das ist gleichzeitig Damenwahl!
    Die Leute: begeistert! Torsten brachte mich auch wieder nach Hause.
    «Spitze, Heinzer. Montag ziehen sie dir das Scheißding, und alles wird gut.»
    «Ja, wird schon. Und fürs Bringen nochmal heißen Dunk.»
    Und ohne Eier ins Bett.
     
    Am Montagmorgen rief ich die Telefonnummer an, die mir der Notarzt gegeben hatte. Ich hatte Glück und bekam noch für denselben Nachmittag einen Termin bei der Irrenärztin mit dem absolut passenden Namen:
Dr.   Vogel
. Dr.   Vogel war eine untersetzte Frau mit lieben Augen.
    «Um Ihre Angstzustände zu lösen, kommen wir um Psychopharmakazumindest vorübergehend nicht herum. Ich verschreibe Ihnen mal eine Kombination aus einem Angst lösenden Mittel und einem Antidepressivum. Langfristig benötigen Sie natürlich eine Psychotherapie. Die muss allerdings erst von Ihrer Krankenkasse bewilligt werden. Und Alkohol dürfen Sie vorerst keinen mehr trinken.»
    Das angeblich Angst lösende Medikament stammte aus der Gruppe der Benzodiazepine und hieß Lexotanil. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass davon überhaupt irgendetwas besser werden würde. Vorsorglich nahm ich die doppelte Menge. Eine halbe Stunde später jedoch war die Angst weg.
Weg, weg, weg!
Das konnte ja wohl nicht mit rechten Dingen zugehen! Die eiserne Faust hatte sich gelöst. Jeder einzelne Finger war ihr gebrochen worden von der Zaubertablette Lexotanil!
    Allein war ich mit meinen Zuständen nicht. Auch der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel zählte zu meinen Leidensgenossen.
Uns Uwe
hatte, ursprünglich gegen seine Flugangst, jahrelang das Benzodiazepin Tavor genommen. Und jetzt war er dran. Der machtbesessene Provinzfürst hatte dem feingliedrigen Feingeist Björni Schmörni Engholm an die Wäsche wollen, doch der
Spiegel
hatte mal wieder ganze Arbeit

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