Fleisch ist mein Gemüse
tack tack Tack tack tack tack Tack tack tack tack Tack tack tack tack
.
«So, Frau Kleinschmidt, ein Schlag entspricht einer Viertelnote. Was eine Terz ist, wissen Sie ja mittlerweile. Also, spielen Sie jetzt bitte die Terzabfolge C-E, D-F und dann E-F-G. Das letzte G ist eine halbe Note lang, die anderen Töne sind alles Viertel.»
Frau Kleinschmidt hatte Angst vor dem Metronom. Bei jedem Schlag zuckte sie zusammen, und manchmal regte sich sogar zaghafter Widerstand.
«Muss das wirklich sein mit dem Metronom? Ich kann mich so schlecht auf den Takt und die Töne gleichzeitig konzentrieren.»
Ich weidete mich an ihrer Angst, blieb jedoch sachlich: «Ja, das muss sein. Auch Sie können das lernen, also bitte, ich zähl ein, und auf die Eins kommen dann Sie. 2,3,4 …» Frau Kleinschmidt spielte irgendwas. Ich korrigierte schon gar nicht mehr richtig. «Gar nicht schlecht. Gleich nochmal, und konzentrieren Sie sich noch mehr auf den Takt. Also, 2,3,4 …»
Ende Mai verkündete mir Tobias, dass nach den Sommerferien finito wäre. Ohnmächtig nahm ich den Beschluss hin, was blieb mir denn übrig! Auch am allerletzten Unterrichtstag kam es zwischen Busenmaike und mir zu keinen ungewöhnlichen Vorkommnissen. Wir tauschten Telefonnummern aus. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Mein Nachfolger wurde Marek, eines der wenigen Überbleibsel der Ostmuckerinvasion. Der sehr gut deutsch sprechende ungarische Vollblutmusiker hatte sich in Deutschland regelrecht festgezutzelt und übernahm dankbar meinen Job. Hinter seiner professionell-freundlichen Fassade verbarg sich ganz offensichtlich ein verschlagenes Naturell. Er hatte es wahrscheinlich auch noch auf meinen schönen
Tiffanys
job
abgesehen. Na warte, Bürschchen, nicht mit mir.
Meine Kündigung war so ziemlich die letzte Amtshandlung von Tobias, denn der wollte schon lange mit seinem öden Dasein als Musikschulunternehmer abschließen. Die ganzen Jahre über hatte der schöne Mann am Computer gehockt und neue Unterrichtspläne aufgestellt und am Wochenende auch noch im Trio
Memories
gemuckt. Er sang für Muckerverhältnisse sehr gut und spielte auch mindestens eine ganze Klasse besserGitarre als üblich. Irgendwann habe ich einmal bei
Memories
ausgeholfen, und nach Feierabend ist er tatsächlich mit einem weiblichen Gast verschwunden, obwohl er verheiratet war, der Schlingel. Aha, dachte ich, geht doch. Tobias fühlte sich zu Höherem berufen. Er wollte Karriere machen und setzte alles auf eine Karte. Da er sehr geschickt im Kontakteknüpfen war, lernte er irgendwie den Schlagersänger Matthias Reim kennen und spielte eine Zeit lang sogar in dessen Liveband mit. Er verbreitete überall, Matthias Reim wäre sagenhaft reich, ungefähr hundert Millionen Mark schwer. Ich mochte das gar nicht glauben, aber Widerspruch half nichts: Matthias Reim ist so reich, dass man sich das gar nicht mehr vorstellen kann. Ich konnte mangels Insiderkenntnissen leider nichts dagegen sagen. Hundert Millionen! Wovon denn? Nie im Leben! Im Studio hat immer ein anderer, noch besserer Gitarrist Matthias Reims neue Schlager eingespielt. Ich weiß nicht, ob das der Grund für ihr Zerwürfnis war, aber nach ungefähr zwei Jahren sind Matthias Reim und Tobias im Streit auseinander gegangen.
Irgendwann spielten wir mit
Tiffanys
auf dem Lüneburger Stadtfest im Citycenter. Da traf ich erstmals nach Jahren den toll kostümierten Tobias wieder. Er trug eine Wildlederjacke mit Fransen, Cowboyhut, Cowboyschlips, Cowboystiefel und große Mengen türkisfarbenen Indianerschmuck. Offenbar hatte er sich jetzt mit Leib und Seele der Countrybewegung verschrieben. Sein bester Freund war neuerdings der damalige deutsche Countrypapst Jonny Hill, in dessen Band er mitspielte. Den Höhepunkt von Tobias’ Countrykarriere habe ich zufällig beim Zappen mitbekommen: einen Auftritt in Jonny Hills RT L-Sendung
Kilometer330
, und zwar mit der deutschen Version von
Ruby, don’t take your love to town
. Tobias Strick hatte sich den Künstlernamenquatsch gespart und trat gleich als
Tobias Strick
auf. Er machte seine Sache ganz ordentlich, aber irgendwie hat er sich dann auch mit Jonny Hill zerstritten, und seine Countrykarriereversandete.
(Jonny geht auch über Leichen, der hat nur Dollarzeichen in den Augen. Und ich dachte, er wäre mein Freund.)
Dann zog er nach Hamburg, wo er eine Alterskarriere als Reikimeister in Angriff nahm. Das hat mir jedenfalls Gurki erzählt. In kurzer Zeit erklomm er auf der
Weitere Kostenlose Bücher