Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fleischeslust - Erzaehlungen

Fleischeslust - Erzaehlungen

Titel: Fleischeslust - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
Vom Netzwerk:
vom Meteorologischen Dienst der USA, montiert auf eine blankpolierte, mit echtem Walnußfurnier überzogene Platte: Thermometer, Barometer und Hygrometer in einem – mit lebenslanger Garantie.
    Ein hübsches Gerät, dachte sie und hob es bewundernd in die Höhe. Blinkendes Messing, schöne große Ziffern und Teilstriche, für die man keinen Feldstecher brauchte, hergestellt in den Vereinigten Staaten von Amerika. Es würde sich sehr gut über dem Kamin machen – oder vielleicht im Eßzimmer; das Nußholz paßte genau zum Ton der Möbel dort, oder? Sie war auf dem Weg ins Eßzimmer, die Original-Heim-Wetterstation in der Hand, als sie bemerkte, daß der Barometerzeiger in der linken Ecke festhing. Verhakt. Sie schüttelte das Gerät, klopfte auf die Glasfläche. Nichts. Der Zeiger rührte sich nicht.
    Plötzlich verlor sie wieder die Beherrschung; sie spürte, wie ein Zorn sie übermannte, der ebenso unausweichlich und unerbittlich war wie das Anbranden der Meeresgischt an eine Steilküste – wie viele Medikamente hatte sie gegen diesen Zorn schon geschluckt, und wie viele Ärzte, ganz zu schweigen von Ehemännern, hatten versucht, ihn zu besänftigen? Die Frinstell Corporation. Schwindler und Betrüger waren das. Man bekam heute nichts als Schrott zu kaufen – kein Wunder, daß die USA inzwischen für die ganze Welt die reinste Lachnummer waren. Keine zehn Sekunden ausgepackt, und schon konnte man das Zeug wegschmeißen. Sie kochte vor Wut. Mit Mühe bezwang sie sich, das Ding nicht gegen die Wand zu schleudern, darauf herumzutrampeln – Rauschgiftsüchtige, Haschbrüder, die Fabriken waren doch voll von denen –, dann aber fiel ihr der Fernseher ein, und sie hielt an sich, bis der erste heiße Schwall der Rage vorüber war.
    Also bitte, sie würde es vernünftig angehen, na gut. Immerhin hatte das Teil angeblich eine lebenslange Garantie. Aber was für ein Witz, dachte sie bitter, und wieder mußte sie sich beherrschen, es nicht gegen die Wand zu schmettern – jetzt brauchte sie ein Glas Wein. Ja. Zur Beruhigung. Und dann würde sie das Ding wieder in die Schachtel packen und diesen Schweinen direkt zurücksenden – die würden schon sehen, wie schnell sie ihren Plunder wieder auf dem Tisch hatten, solchen Dreck ließ sie sich nicht andrehen... sie würde Willis damit auf die Post schicken, sobald er zur Tür hereinkäme. Und auf das Päckchen käme kein Penny Porto, das war klar. Zurück an Absender , würde sie draufschreiben. Beim Versand beschädigt – nehmen Sie Ihren Schrott und...
    Dann sah sie auf die Uhr. Schon Viertel vor zwölf, er mußte jeden Moment kommen. Plötzlich war all ihre Wut auf die Frinstell Corporation verflogen, sie verflüchtigte sich ebenso rasch, wie sie sich aufgeschaukelt hatte, und sie empfand plötzlich heftige Zuneigung für ihren Mann, ihren Ehemann, ihren Willis – der arme Kerl, mußte bei Wind und Wetter da draußen sein und ebenso hart arbeiten wie Männer, die halb so alt waren wie er, nur weil er für sie sorgen und sie beschützen wollte... und sie war beim Frühstück so gemein zu ihm gewesen, wirklich. Er brauchte jetzt nichts so sehr wie ein anständiges Mittagessen, entschied sie, ein schönes warmes Mittagessen. Sie hob die Heim-Wetterstation so behutsam in die Schachtel, als legte sie ein Baby in die Wiege, schlug das Packpapier darum und klebte es wieder zu, dann ging sie an die Anrichte. Sie goß sich ein Glas Wein ein und machte sich daran, eine Dose Erbsensuppe mit Schinken zu öffnen – die würde sie für Willis aufwärmen, dazu einen leckeren Eiersalat auf Toast...
    Toast. Aber sie hatten ja kein Brot mehr, oder? Nur diesen Dreck aus Sägemehl und Nüssen, den er ihr zum Frühstück hatte unterjubeln wollen. Sie dachte einen Moment darüber nach, und eine schwarze Wolke schien vor ihr aufzusteigen. Ehe sie sich’s versah, überkam sie die gleiche Wut wie am Morgen, durch die Tragödie mit dem Fernseher und den Schwindel mit der Heim-Wetterstation verdoppelt und vervierfacht, und als sie Willis’ Schlüssel in der Tür hörte, loderte sie innerlich wie der Vesuv.
    Mochte sie morgens auch immer gereizt sein, ohne jeden Grund auf ihn loshacken und ihm beim geringsten Anlaß an die Kehle springen, bis Mittag hatte sich regelmäßig alles geändert: sobald er durch die Tür trat, umfing ihn eine allumfassende Wolke von mütterlicher Fürsorge, und wenn sie ihn eine halbe Stunde später wieder hinausgeleitete, verabschiedete sie sich mit langen,

Weitere Kostenlose Bücher