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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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zerschlissenen Sofapolstern war mit
viel Glück achtzig Zentimeter breit. Nichts gegen Dicke, aber sie hatte nicht
mal allein genug Platz darauf. Schließlich war sie beinahe so breit wie hoch,
fast quadratisch.

    Das übergewichtige Mädchen bewegte sich mit x-beinigem
Schaukelgang zum Sofa und angelte eine halb volle Flasche Aldi-Schnaps zwischen
den Polstern hervor. Ich versuchte, die Maße ihres Hinterns zu schätzen, als
sie sich bückte. Zu breit in jedem Fall.

    Dicke nahm einen ordentlichen Schluck aus der Schnapsflasche
und hielt sie mir dann hin. Sie hatte die Jacke ausgezogen, der Ärmel ihres
zerrissenen Shirts war hochgerutscht und gab oberhalb des Saumes ihrer
löchrigen Handschuhe einen mit blutig gekratzten Pusteln übersähten Unterarm
frei.

    Ich nahm die Flasche, setzte sie aber nicht an den Mund.

    Was war das? Neurodermitis? Allein der Anblick verursachte
Herpes.

    Engel ächzte erschöpft aufs Sofa. Sie schnürte ihre
Stiefel auf, kickte sie neben die Leergutkiste und legte die von der
Schwangerschaft dick gewordenen Beine auf die Armlehne.

    Ich gab ihr die Schnapsflasche und ließ mich am Fußende
der Couch auf dem Boden nieder. Dabei konnte ich die Wollsocken näher
betrachten, deren Sohlen tiefschwarz verfärbt waren und speckig glänzten. Wäre
mir dieser Anblick erspart geblieben, hätte mir allein der Geruch ihrer Füßen
verraten, dass Engel die Stiefel seit Wochen trug, ohne die Socken – oder
wenigstens die Füße – mal gewaschen zu haben.

    So unauffällig wie möglich rückte ich ein Stück zur
Seite.

    Dicke ließ ihren massigen Körper auf die am Boden liegenden
Sofapolster sinken und streckte ihre Füße ebenfalls in meine Richtung.

    Â 

15.

    Meine Nase kitzelte. Es war ein
beißender Gestank, der mich weckte. Ein Wunder, dass mir die Augen nicht
tränten.

    Ich hatte im Sitzen geschlafen, mein Kopf war auf das Sofa
zurückgesackt und nur noch Zentimeter von Engels Wollsocken mit den speckigen
Sohlen entfernt.

    Ich fuhr hoch.

    Bäh! Mit dem Ärmel rieb ich mir die Nase, um den scharfen
Schweißgeruch zu vertreiben.

    Mein Hintern war eiskalt, beinahe taub, denn der Nachtfrost
war durch den blanken Betonboden und meine Zwiebelschichten gekrochen.

    Frische Luft!

    Gebückt wurschtelte ich mich unter der Folie hindurch aus
der Pennerbutze. Gierig sog ich die klare, kalte Luft in meine Lungen, die mir
hinter der Plastikplane durch die offenen Fensterlöcher der Bauruine
entgegenströmte.

    Draußen wurde es gerade hell. Die Stadt brummte in der
mattgrauen Dämmerung.

    Ich sah mich um.

    Die Baustelle war im wahrsten Sinne des Wortes auf Eis
gelegt. Schutt- und Sandhaufen hatte man mit den gleichen Folien abgedeckt, die
Dicke und Engel zum Butzenbau benutzt hatten. An anderen Stellen ragten dünne
Eisenstangen aus dem Fundament. Gerüstbretter lehnten neben der Treppe an der
Wand.

    Waren die Mädchen die Einzigen, die sich hier häuslich
eingerichtet hatten?, erwachte meine detektivische Neugier. Ich suchte ja nach
Fliege und Bohne.

    Das schwache Licht der Morgendämmerung reichte noch nicht
aus, um das Halbdunkel in der Bauruine zu erhellen. Deshalb tauchte ich mit
angehaltenem Atem noch einmal unter der Folie hindurch in die Butze und angelte
die schwere Taschenlampe neben Dickes Füßen weg.

    Eine Profileuchte der Firma Makita, erkannte ich, als ich das Gerät in der Hand hielt. Mit
Sicherheit teuer. Wo kam die wohl her? Ebenfalls gespendet vom
gastfreundlichen, aber leider bankrotten Bauherrn?

    Ich ließ den Lichtkegel über einen in der Ecke stehenden
Betonmischer wandern. Daneben lagen ein paar Stahlträger auf dem Boden. Eine
unfertige Treppe führte in den Keller.

    Wohnte es sich da unten ähnlich gemütlich?

    Leise schlich ich die Stufen hinunter. Im Keller war es
eiskalt und stockdunkel. Und ein feiner, beißend scharfer und irgendwie
vertrauter Geruch wehte mir entgegen.

    Was war das? Ich schnüffelte konzentriert, um einordnen
zu können, was ich roch.

    Da, ein Rascheln!

    Ich schnellte herum, mein Lichtkegel flitzte über kahle
Wände, Betonboden – etwas huschte durch den Lichtschein!

    Ein langer, nackter Schwanz – Ratten!

    Na toll. Mein Herzschlag beruhigte sich etwas. Wir hatten
tatsächlich Mitbewohner.

    Mit der Taschenlampe suchte ich nach dem Nager, hörte
trippelnde Schritte, folgte dem Geräusch mit

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