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Flieh, so schnell es geht!

Flieh, so schnell es geht!

Titel: Flieh, so schnell es geht! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Bowler
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hinter mir, fällt sogar auf mich, aber ich bin zu tief, als dass er mich sehen könnte.
    Jetzt steht er ganz nah am Zaun.
    Ich bleibe noch in der Senke, verlagere meine Position nach rechts. Der Schein der Taschenlampe sucht weiter, verfehlt mich aber. Auf der anderen Seite des Weges höre ich, wie die Männer im Müll wühlen.
    Â»Komm«, flüstere ich.
    Paddy klettert über den Zaun. Ich sehe nur den grellen Lichtschein und eine geisterhafte Gestalt. Was sieht er von mir?
    Nichts.
    Denn auch ich bin ein Geist. Ich tue, was ich am besten kann. Es ist so leicht, wie anderen die Brieftasche wegzunehmen.
    Nur dass ich diesmal einem Menschen das Leben nehme.
    Was wird er in den letzten Augenblicken sehen? Heißt es nicht, man sieht noch einmal das ganze Leben vorüberziehen, alles, was man getan hat? Oder ist es als ob man ein Kerzenlicht ausbläst oder eine Taschenlampe ausknipst?
    Er sieht nicht, wie ich mich bewege, den Kricketschläger unter dem Gebüsch hervorhole, sieht mich erst, als ich vor ihm stehe. Denn ich mache das nicht hinterrücks, Bigeyes. Ich mache das richtig.
    Er erstarrt, macht den Mund auf.
    Kein Laut kommt aus seinem Mund. Der Schlag trifft ihn in die Magengrube, nimmt ihm den Atem. Dann folgt einer gegen das Kinn, der dritte auf den Hinterkopf. Er gibt einen erstickten Laut von sich, taumelt. Ich schlage ihm die Taschenlampe aus der Hand, ziehe ihm die Beine weg.
    Er fällt auf die Knie, hält sich aber noch gerade. Er fuchtelt ziellos mit den Händen. Benommen wie er ist, kriegt er keine Deckung zustande. Er schaut mich mit verzerrter Miene an und will etwas sagen. Denn er weiß, was jetzt kommt.
    Aber ich höre gar nicht hin.
    Ich schaue ihm in die Augen. Darin sehe ich nur das Blut, das ich vergießen will. Ich spreche, ohne meine Stimme zu erkennen.
    Â»Das tue ich nicht für Becky. Das tue ich für mich.«
    Er antwortet nicht, starrt mich nur an. Er weiß, dass es aus ist. Ich werfe den Schläger weg, ziehe das Messer, lasse es aufschnappen.
    Und jetzt küss die Klinge.
    Morgengrauen. Es wird nur widerstrebend hell. Die Novembersonne kriecht hinter der Stadt empor. Doch sie zieht die Dunkelheit hinter sich her, als ob der Tag rückwärts abliefe. Ich bin allein, ich bin sicher, ich bin außer Sichtweite.
    Ich fühle mich mehr tot als lebendig.
    Was macht das schon für einen Unterschied? Vielleicht gibt es keinen. Leben oder Tod, Kopf oder Zahl. Wirf eine Münze hoch, leg die Karten auf den Tisch.
    Ich hätte ihn abstechen sollen, Bigeyes. Es war Rache, es war mehr als gerecht. Ich hätte ihn umbringen müssen, hörst du? Ich hätte.
    Warum hab ich es nicht getan?
    Warum lebt er noch?
    Sag mir das.
    Ich starre immer noch auf das Messer, lasse es aufschnappen und klappe es wieder zu. Was ist passiert? Ich habe Bilder in meinem Kopf, aber die sind krakelig, als hätte Jaz sie gezeichnet. Ich werde nicht schlau daraus.
    Ich habe ein Bild von Paddys Gesicht, seine Augen, sein Mund. Keine Worte, nur die zitternden Lippen, mit denen er bittet und bettelt. Und dann noch ein Bild, wie ich mich wegdrehe und davonlaufe.
    Das kann nicht sein. So was passiert mir nicht. Ich hab so was noch nie verpatzt, nicht wenn es ums Geschäft geht. Ich bin Blade. Den Namen trage ich nicht umsonst. Ich vermassel nichts. Ich bin Blade. Ich bin verdammt noch mal Blade.
    Aber ich hab ihn nicht umgebracht. Ich hab mich weggedreht und bin davongelaufen.
    Hilf mir, Bigeyes. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin.
    Mehr Sonne, mehr Dunkelheit. Alles ist durcheinander, nichts ist, wie es sein sollte. Ich stecke das Messer in die Tasche und schaue mich um …
    Ein schmaler Weg in einer Siedlung, Bickton Estate. Wie bin ich hierher gekommen? Ich weiß es nicht mehr. Überleg, langsam kommt die Erinnerung wieder. Aus irgendeinem Grund habe ich diesen Ort gewählt. Was war es doch gleich?
    Die Außenbezirke der City. Das muss es gewesen sein. Die Außenbezirke, Schlafsiedlung, verschlafene Leute, da guckt keiner hin. Das war der erste Grund. Aber was war der zweite?
    Denk nach.
    Was war der zweite Grund? Es muss doch einen zweiten geben. Ich bin nicht nur wegen der schläfrigen Bewohner hierher gekommen.
    Die Telefonzelle.
    Genau – die Telefonzelle. Ich muss den Anruf machen. Das hätte ich schon vor Stunden tun sollen, nur hab ich nicht daran gedacht. Ich war nicht klar im Kopf, war total benebelt und hab nicht das getan, was

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