Flirt mit dem Tod
Seit Connellys Anruf schien seine Laune noch tiefer gesunken zu sein. Als ob das überhaupt möglich war. »Ben, was haben Sie?«
»Nicht viel. Die Spuren vom Tatort sind noch nicht fertig ausgewertet. Ich habe aber, wie bei den anderen Tatorten auch, wenig Hoffnung, etwas Verwertbares zu finden. Miss Mayers hatte allerdings wieder das Stück einer Fotografie in der Hand. Diesmal ein Ausschnitt des rechten Auges und der Augenbraue. Ich habe sie schon mit Dominics Gesicht abgeglichen. Es passt.«
»Okay. Uns läuft die Zeit davon. Steve, Sie bleiben hier und tippen Ihre Berichte. Rick, Sie holen sich bei Marcus einen Durchsuchungsbeschluss und sehen sich Diamonds Wohnung an. Hören Sie sich auch mal an den Ecken um, an denen Miss Mayers gearbeitet hat. Sam, Sie begleiten ihn. Wenn sonst niemand mehr etwas auf dem Herzen hat, war es das erst mal. Wir sehen uns um siebzehn Uhr wieder hier.« Bergen stürmte aus dem Konferenzraum, als ob der Teufel hinter ihm her wäre.
Die Blicke des Teams folgten ihm. Niemand wollte in seiner Haut stecken. Vor allem, wenn eine Besprechung mit dem Captain bevorstand.
*
Rick und Sam fuhren mit dem Durchsuchungsbeschluss, den Staatsanwalt Marcus beim Richter beantragt hatte, zur Wohnanschrift von Diamond, alias Tammy Mayers.
Sie suchten eine Weile, bis sie einen kleinen, ekelhaft stinkenden Mann als Hausmeister ausmachten. Er schien kein Freund der Polizei zu sein. Das sagte er zwar nicht ausdrücklich, aber seine Körpersprache ließ es sie wissen. Sam und seinem Kollegen machte das nichts aus. Wenn die Polizei auftauchte, hatte es in der Regel Ärger gegeben. Und Ärger wollte niemand haben. Der Hausmeister sah so aus, als ob er in seinem Leben schon mehr als genug Ärger gehabt hätte. Die Tätowierungen auf seinen bloßen Armen wiesen auf mehr als einen Knastaufenthalt hin.
Als er vor ihnen die Treppe zu Diamonds Apartment hinaufschlurfte, fragte Sam ihn, wann er die Frau zum letzten Mal gesehen habe.
Der Hausmeister zuckte mit den Achseln. »Vorgestern Abend. So gegen zehn. Sie ist zur Arbeit gegangen, wenn man das so sagen kann. Sie schafft in der Nähe des Grand Love Hotel an. Dort kann sie günstig ein Zimmer beziehen, falls ein Freier das will. Denn eigentlich schafft sie auf dem Straßenstrich und steigt zu den Kunden ins Auto.«
»Sie scheinen Diamonds Gepflogenheiten recht gut zu kennen«, sagte Rick.
Der Alte sah über seine Schulter zurück und schenkte ihm ein Grinsen voller Zahnlücken. »O ja. Ich kenne sie gut. Sie hat schon die eine oder andere Miete bei mir abgestottert. Oder für Reparaturen in ihrer Wohnung auf diese Weise gezahlt.« Das Lachen des Mannes war ein heiseres Krächzen.
Sam konnte nicht anders, er bekam eine Gänsehaut, wenn er nur daran dachte, dass … widerlich.
Im zweiten Stock öffnete der Hausmeister ihnen die Wohnungstür. Rick und Sam griffen automatisch nach ihren Waffen, aber die Wohnung war leer. Es war dunkel, weil das Rollo vor dem Fenster heruntergelassen war. Rick zog es hoch.
Das Zimmer war spärlich eingerichtet. Alte, abgenutzte Möbel. Das Bett war erstaunlich schmal.
»Hat Miss Mayers Freier mit in ihre Wohnung genommen?«, fragte Sam.
»Nein. Was auch immer sie getrieben hat, sie hat nie jemanden mit hierher gebracht. Das war ihr heilig.«
Das Apartment war sauber. In der kleinen Essecke lag eine Zeitung auf dem Tisch. Dominics Gesicht blickte ihnen von der Titelseite entgegen, Zufall oder auch nicht. Im Kühlschrank fand Sam zwei Joghurts und einen Liter Milch, in einem der Schränke über der Spüle eine angerissene Packung Cornflakes.
Diamonds Kleiderschrank war das einzige Möbelstück in dem Raum, das üppig bestückt war, doch das meiste davon schien Arbeitskleidung zu sein.
In der Ecke gegenüber dem Bett stand ein kleiner Fernseher und in dem winzigen, schäbigen Bad stapelte sich Make-up auf den Ablagen. Ansonsten gab es in der kleinen Wohnung nichts Außergewöhnliches. Keine Pflanzen, keine Bilder an den Wänden, nichts Persönliches. Gar nichts.
Rick bückte sich, um unter das Bett zu sehen. Seine Knie knackten vernehmlich. Er beugte sich noch ein wenig weiter nach unten und zog einen großen Karton hervor. Die Kiste war nicht, wie man annehmen würde, mit Staub bedeckt, sondern wurde offensichtlich regelmäßig unter dem Bett hervorgeholt und wieder darunter geschoben.
Als Rick den Deckel hob, pfiff er durch die Zähne. »Die Vergangenheit der Diamond Mayers.« Vorsichtig zog er ein Jahrbuch,
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