Flirt mit dem Tod
alte Fotos und einige Notizhefte, bei denen es sich offensichtlich um Tagebücher handelte, heraus.
»Lass uns den Karton einpacken. Wir können ihn in Ruhe im Department auseinandernehmen.«
Rick trug die Kiste aus dem zweiten Stock zu ihrem Wagen, während Sam darauf achtete, dass der Hausmeister die Tür abschloss. Dann hielt er dem Alten seine Karte hin. »Falls Ihnen noch irgendetwas einfallen sollte …«
»Na sicher doch. Ich melde mich auf jeden Fall.« Er schenkte Sam noch einmal sein hässliches Grinsen und jagte ihm damit eine Gänsehaut über den Rücken.
Als er neben Rick im Auto saß, schüttelte er sich. »Puh. Bloß weg hier. Der Alte ist echt gruselig.«
»Da hast du recht«, gab Rick zurück. »Lass uns noch zu diesem Grand Love Hotel fahren und uns dort mal umhören. Dann fahren wir ins Department und kümmern uns um Miss Mayers Tagebücher.«
*
Josh und Elena fuhren zu Dominic. Tracy Collette hatte ihnen die Akte von Diamond besorgt, die jetzt offen auf Elenas Schoß lag, während Josh den Wagen lenkte.
Tammy Mayers war eine Ausreißerin, die mit gerade einmal fünfzehn von zu Hause abgehauen war. Damals hatte sie behauptet, von ihrem Stiefvater missbraucht worden zu sein. Sie hatte jedoch nie Anzeige gegen ihn erstattet.
Ein paar Mal war sie wegen Prostitution und Drogenbesitzes verhaftet worden und spritzte eine Zeit lang Heroin. Nach einer Entgiftung und teilstationären Therapie, die Auflagen ihrer letzten Verurteilung gewesen waren, hatte sie zumindest das Spritzen im Griff gehabt.
»Das passt zu dem, was Dr. Connelly sagte«, überlegte Josh. »Was natürlich nicht heißen muss, dass sie nicht trotzdem Heroin genommen hat. Aber wahrscheinlich hat ihr Drogenkonsum nichts mit dem Tod zu tun.«
»Ihr Mord passt nicht ins Muster«, sagte Elena düster. Sie klappte die Akte zu und schwieg, bis Josh vor Dominics Haus eingeparkt hatte.
Sie betrachtete das Gebäude, denn sie war noch nie hier gewesen. Das Haus war nicht gerade schön. Sie klingelten und fuhren, nachdem Dominic den Türöffner gedrückt hatte, mit einem schlichten, schmucklosen Aufzug in die neunte Etage.
Elenas Herz schlug plötzlich schneller. Sie war unterwegs zu dem Mann, in den sie sich verliebt hatte. Unterwegs in eine Wohnung, in der sie noch nie zuvor gewesen war. Und in ihrer Hand hielt sie die Akte einer toten Prostituierten, zu der ihr Partner vielleicht eine Beziehung gehabt hatte. Das waren fast ein paar Fakten mehr, als sie im Moment verarbeiten konnte.
Josh legte ihr eine Hand auf den Arm. Wahrscheinlich hatte er mal wieder ihre Gedanken gelesen. »Mach dir keinen Kopf. Wir haben den Zusammenhang zwischen Diamond und den anderen Opfern noch nicht gefunden. Ich wette, sie hatte nichts mit Dom zu tun.«
Sie nickte leicht, dankbar, auch wenn Joshs Worte keine Garantie waren.
Als sich die Aufzugstüren öffneten, sahen sie Dominic sofort. Er stand lässig in den Rahmen seiner Wohnungstür gelehnt, in abgetragenen Jeans, einem Red Sox T-Shirt und Socken, aber sein Gesichtsausdruck war angespannt.
»Elena. Winters.« Er nickte ihnen zu. »Was gibt’s Neues? Ich hatte schon viel eher damit gerechnet, etwas von euch zu hören.«
»Lasst uns reingehen«, schlug Josh vor.
*
Dominic ging einen Schritt zur Seite. Elena betrat die Wohnung und sah sich um, ließ alles auf sich wirken. Er folgte ihr mit seinen Blicken. Anders als ihr Haus war seine Wohnung kein Zuhause. Er fragte sich, was sie über ihn und seine Behausung dachte.
Die Zweizimmerwohnung war in etwa so schmucklos wie der Wohnblock, in dem sie lag. Der spektakuläre Ausblick aus seinem Wohnzimmerfenster war der nächste Wohnblock, der hinter seinem Haus lag. Das hatte Dominic nicht besonders interessiert, als er die Wohnung mietete. Es war ihm nicht wichtig. Wenn er sich wohlfühlen wollte, besuchte er seine Eltern. Seine Nachbarn kannte er nicht, bis auf die alte Lady schräg gegenüber – er kaufte manchmal für sie ein und half ihr bei kleinen Reparaturen.
Die schmucklosen weißen Wände hatte er seit seinem Einzug nicht verändert. Minimalismus war wohl das Wort, das seinen Wohnstil am besten beschrieb. Im Wohnzimmer gab es nur seine alte, durchgesessene Ledercouch und einen Fernsehsessel. Die Wand davor dominierte ein riesiger Flachbildfernseher. Mit einer kleinen Bar in der Ecke, die seine Mutter mit Familienfotos verschönert hatte, und einem zerkratzten Couchtisch war seine Einrichtung abgeschlossen.
Der letzte Karton
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