Flirt mit dem Tod
Obduktion hatten Dominic und sie am Freitag erhalten. Und dieses Ergebnis war eindeutig. Sie fuhren noch einmal zur trauernden Witwe Angel Delaware, um ihr mitzuteilen, dass die tot aufgefundene Person auf dem Boot nicht ihr Ehemann war. Zum einen war ein DNA-Test negativ ausgefallen, zum anderen hatte sich das Opfer schon vor dem Brand körperlich in einer äußerst schlechten Verfassung befunden. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Obdachlosen. Der Tod war durch einen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf eingetreten. Die Lungen des Mannes waren nicht mit Rauch gefüllt gewesen, wie es bei einem Tod durch Rauchvergiftung der Fall gewesen wäre. Das bedeutete im Umkehrschluss, dass zuerst der Mann getötet und anschließend das Feuer gelegt worden war.
Angel Delaware war völlig außer sich, als sie ihr die Neuigkeiten überbrachten. Was bedeutete das? Was war passiert? Was war ihrem Mann zugestoßen? Hatte man ihn entführt oder ebenfalls umgebracht? Immer wieder stellte sie die gleichen Fragen, bis Dominic ihr versprach, den Fall zu klären und sie nicht im Ungewissen zu lassen.
Bislang hatten sie keine Ahnung, was wirklich passiert war. Hatte sich Delaware abgesetzt, weil er seinen Job verloren hatte und nicht mehr alle Wünsche seiner jungen Frau erfüllen konnte? Oder hatte er sogar genug von ihr? Der Obdachlose war jedenfalls keinen natürlichen Tod gestorben. Und der Name der jungen Witwe hätte auf einem Scheck mit ziemlich vielen Nullen gestanden, der im Fall der Bestätigung seines Todes von Delawares Lebensversicherung ausgestellt worden wäre. Also hatte Delaware vermutlich getötet und war auf der Flucht. Doch solange sie ihn nicht gefunden hatten, würden sie keine Antworten auf ihre Fragen erhalten.
Weil es keine neuen Ermittlungsansätze gab, hatten Dominic und Elena das Wochenende frei. Elena verbrachte den größten Teil des Samstags damit, ihren Garten auf den nahenden Winter vorzubereiten. Die Gartenarbeit sollte sie von ihrem neuen Partner ablenken, aber das hatte leider nicht funktioniert. Sie musste sich darüber klar werden, wie sie ihm künftig gegenübertreten wollte. In den wenigen Tagen, die sie jetzt gemeinsam ermittelten, hatte sie sich wie das kleine blonde Anhängsel gefühlt. Coleman ließ sie in der Regel nicht zu Wort kommen und forderte sie höchstens auf, im Anschluss an ihre Ermittlungen auf der Dienststelle Aktenvermerke zu tippen. Während sie die schrieb, machte er die interessanten Sachen, wie sich mit der Gerichtsmedizinerin zu treffen oder mit der Kriminaltechnik zu telefonieren.
Das musste sich ändern. Wenn Dominic sie künftig nicht mit einbezog, würde sie einen Weg finden müssen, sich selbst einzuschalten. Nachdenklich nippte sie an ihrem Tee und kraulte Rabbit den Hals, den er ihr voller Hingabe entgegenstreckte.
Ihr Handy klingelte. »Wenn man vom Teufel spricht«, murmelte sie, bevor sie den Anruf entgegennahm.
»Ich bin es, Dominic. Kannst du dich mit mir treffen? Ich habe etwas über Delaware herausgefunden.«
Sofort stieg ihr Adrenalinspiegel. Sie stellte ihre Teetasse auf dem Verandageländer ab und lief ins Haus, um ihre Ausrüstung zu holen. »Sicher. Wohin soll ich kommen? Ins Department?«
»Nein, ich bin bei meinen Eltern in Somerville. Kannst du dorthin kommen?« Ihr Partner rasselte eine Adresse herunter und legte auf.
Elena steckte die Waffe in ihr Holster und gab die Adresse ins Navigationsgerät ein. Sie wohnte ebenfalls in Somerville, einer kleinen Stadt nur wenige Meilen außerhalb von Boston. Im Kopf überschlug sie die Strecke zum Haus von Dominics Eltern. Wahrscheinlich würde sie keine zehn Minuten bis dorthin brauchen.
Neun Minuten später stand sie auf der Veranda des großen, hübschen Hauses mit einem bunt blühenden Vorgarten. Ihr blieb jedoch keine Zeit, ihre Umgebung zu bewundern. Kaum hatte sie den alten Türklopfer bedient, wurde die Tür auch schon aufgerissen – von einem Wirbelwind von Frau. Sie war klein und zierlich. Das Alter war gnädig mit dieser Frau umgegangen, und doch war sie unverkennbar Dominics Mutter. Sie hatte den gleichen olivfarbenen Teint, das gleiche dunkle Haar wie ihr Sohn. Vor allem aber war sie mit dem gleichen unwiderstehlichen Blau in ihren Augen gesegnet. Auch wenn ihre Augen wie zwei große, dunkle Seen unter ihren Ponyfransen lagen und ihr Blick wesentlich freundlicher und weniger scharf war, so war Dominics Erbe doch unverkennbar.
»Hallo meine Liebe.« Überschwänglich
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