Flirt mit dem Tod
zog die ältere Frau sie ins Haus. »Sie müssen Elena sein. Es freut mich, Sie kennenzulernen. Ich bin Maria, Dominics Mutter«, sprudelte sie ohne Punkt und Komma los und zog sie mit sich in die Küche. Auf dem Weg dorthin passierten sie ein Wohnzimmer voller Männer, die Football schauten. Sie wurde ihnen vorgestellt und dann weitergeschleift.
Als sie in der Küche ankam, hatte sie bereits neunzig Prozent der Namen wieder vergessen. Auch hier erging es ihr nicht anders. Im ganzen Raum verteilt standen und saßen Frauen, die tratschten, lachten und nebenbei kochten, oder zumindest so taten. Das musste eine Art Familientreffen sein, überlegte Elena, während ihr auch die Frauen vorgestellt wurden. Sie versuchte nicht, die Namen zu behalten. Es war ihr unangenehm, dass sie die Familie störte. Netterweise hatte ihr Partner diesen Menschenauflauf nicht erwähnt. Sonst wäre sie in ihrem Wagen geblieben und hätte ihn angerufen, um ihn von ihrer Ankunft zu unterrichten.
»Es tut mir leid, hier so hereinzuplatzen«, wandte sie sich an Dominics Mutter.
»Aber, aber.« Die kleine Frau drückte sie resolut auf einen Stuhl und schenkte ihr ein Glas Eistee ein. »Sie stören kein bisschen. Das hier ist nur der normale Sonntags-Wahnsinn. Na ja«, Maria winkte ab, »mal sind es mehr, mal sind es weniger. Wenn man viele Kinder hat, muss man damit rechnen, dass sie einem am Sonntag das Haus füllen, Football schauen und sich den Bauch vollschlagen wollen.« Sie grinste. Ein Grinsen, das stark an das ihres Sohnes erinnerte.
Elena war sprachlos. Sie hatte nicht gewusst, dass Dominic Teil einer so großen, lebhaften Familie war. Sie konnte sich zwar die Namen all dieser Menschen nicht merken, aber sie sah, wie nahe sich alle standen und wie liebevoll sie miteinander umgingen. Es musste schön sein, zu einer so großen Familie zu gehören. So wie sich ihr Partner manchmal aufführte, konnte man meinen, er sei im Wald von Wölfen großgezogen worden.
*
Dominic beendete das Telefonat und klappte das Handy mit einem saftigen Fluch zu. Fast umgehend zuckte er zusammen. Falls seine Mutter das blumige Schimpfwort gehört haben sollte, würde er wahrscheinlich eine Predigt zu hören bekommen, die sich gewaschen hatte.
Natürlich hatte sie ihn nicht gehört, er war zum Telefonieren extra in den Garten hinter dem Haus gegangen. Hier konnte er sprechen, ohne von ständigen Footballkommentaren seiner männlichen Verwandten oder dem Gegacker seiner Schwestern unterbrochen zu werden.
Das leise Kichern hinter seinem Rücken ließ ihn wissen, dass es trotzdem jemanden gab, der seinen Kraftausdruck sehr wohl gehört hatte – und vermutlich auch so schnell nicht wieder vergessen würde. Er drehte sich um und funkelte seine fünfjährigen Neffen Niclas und Tommy an. »Wenn ihr euren Mommys oder eurer Granny erzählt, was ich gerade gesagt habe, fresse ich euch mit Haut und Haaren«, knurrte er. »Ist das klar?«
Lachend stürzten sich die Jungen auf ihn und versuchten, ihn zu Boden zu ringen.
»Unser Schweigen wird dich was kosten, Onkel Dom«, krähte Nic.
»Ja genau«, pflichtete ihm sein Cousin bei. »Wir merken es uns und lösen die Schulden später ein.«
»Ach ja?« Dominic klemmte sich einen Jungen unter jeden Arm und lief auf die Mülltonnen zu. »Dann entsorge ich euch besser gleich.«
Lachend und strampelnd versuchten sich die Kleinen aus seinem Griff zu lösen.
»Granny Maria schickt uns«, keuchte Niclas, der vor Lachen fast keine Luft mehr bekam, sich aber wieder auf seine Mission besann.
»Ja, genau«, plapperte Tommy ihn nach. »Du sollst reinkommen. Dein Partner ist da.«
Dominic blieb stehen. Einen Moment lang hatten die Jungen ihn die Wirklichkeit vergessen lassen. Einen Augenblick lang war er beim Sonntagsessen seiner Mutter gewesen, gemeinsam mit seinen Brüdern, Schwestern und ihren Familien, seinen Neffen und Nichten. Aber es würde kein Sonntagsessen geben. Nicht für ihn. Er hatte eine heiße Spur in einem Mordfall. Der würde er folgen, bevor sie kalt war. Er war sowieso nur hier erschienen, damit seine Familie ihn in Augenschein nehmen konnte, um sich anschließend die Mäuler zu zerreißen, ob er zu blass, zu dünn, zu ruhig oder sonst was war. Die Colemans waren eine Familie, in der auf jeden achtgegeben wurde. Dominic war es nicht recht, dass sie seit Jacks Tod ihren Beschützerinstinkt an ihm austobten, nahm es aber hin. Je mehr er sich dagegen sträubte, desto heftiger würden sie ihm auf die
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