Flirt mit dem Tod
Angesichts ihres Gesichtsausdrucks konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Bis jetzt habe ich noch alle Informationen, die sie mir aus dem Netz gefischt hat, verwenden können, ohne dass sie und ich uns die Finger daran verbrannt hätten.«
Elena wollte nicht einmal darüber nachdenken, wie sie die Daten beschafften. Also konzentrierte sie sich wieder auf den Fall.
»Du glaubst also, Delaware ist in dem Strandhaus?«, fragte sie.
»Ja, er ist dort. Angel wahrscheinlich auch. Sie ist nicht zu Hause, das habe ich schon überprüft. Ans Telefon geht sie auch nicht. Und wo sollte sich Delaware schon groß verstecken? Das Haus ist auf den Mädchennamen seiner Mutter eingetragen. Die ist fast neunzig und lebt in einer Seniorenresidenz in Florida. Wenn niemand weiter von dem Haus weiß, dann ist es das ideale Versteck.«
Elena nickte und konzentrierte sich weiter auf den mäßigen Sonntagsverkehr.
»Was hast du vor, wenn wir dort sind?«
»Ich will ihn festnehmen.«
»Du hast einen Haftbefehl?« Abermals blickte Elena von der Straße auf und starrte ihn an.
»Ja.«
»Seit wann?« Er hatte sie also einmal mehr übergangen. Es fehlte nicht viel und sie wäre vor Wut übergekocht. Also bemühte sie sich, wieder hinter ihre Fassade zu schlüpfen und die Aggressionen, die sie ihrem Partner gegenüber hegte, zu ignorieren.
»Seit«, Dominic blickte auf die Uhr, »einer Stunde und dreizehn Minuten.«
»Nett, dass du einen Richter an einem Sonntag davon überzeugen konntest, zu unterschreiben«, gab Elena zurück und versuchte, nicht bissig zu klingen.
Sie ließen die Vororte Bostons hinter sich. Der Verkehr nahm noch mehr ab und sie drückte das Gaspedal durch.
»Ja, wenn man Freunde hat«, antwortete er lapidar. »Hör zu, es wird so ablaufen: Ich habe Verstärkung angefordert, aber die Leute vom Dezernat, die ich erreichen konnte, sitzen beim Sonntagsessen oder wühlen sich wie Steve mit irgendeiner heißen Maus durch die Laken. Keine Frage, wer weniger begeistert war von meinem Anruf«, fügte er mit einem unterdrückten Grinsen hinzu.
Wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre er wahrscheinlich allein zu dem Haus gefahren und hätte Delaware festgenommen. Aber er hatte den Lieutenant informieren müssen. Und Bergen musste darauf bestanden haben, den Einsatz professionell durchzuführen, wie es sich gehörte.
»Wir werden uns auf jeden Fall noch Unterstützung vom Sheriffdepartment holen und führen einen ordentlichen Zugriff durch«, erklärte er Elena.
»Prima«, knurrte sie als Antwort. Im Umkehrschluss bedeutete sein kleiner Vortrag, dass er bereits mit allen anderen Kollegen des Departments gesprochen und sie nur deshalb angerufen hatte, weil niemand sonst schnell genug von seinen Verpflichtungen wegkonnte. Dominic Coleman war wirklich ein ausgemachtes Arschloch. Einmal mehr hatte er alles im Alleingang gemacht. Einmal mehr hatte er sie von den Ermittlungen ausgegrenzt. Aber sie hatte sich geschworen, nicht mehr so mit sich umspringen zu lassen. Damit wäre genau heute Schluss.
Den Rest der Strecke legte sie schweigend zurück. Dominic führte Telefonate mit dem Lieutenant, dem zuständigen Sheriff und den Kollegen, die die Verstärkung bilden sollten. Zwischendurch gab er Elena knappe Anweisungen, wohin sie fahren sollte. Damit hatte sich ihre Konversation bereits erschöpft.
*
Einen Block von dem hübschen kleinen Strandhaus entfernt parkte Elena ihren Wagen. Sie stiegen aus und sahen sich vorsichtig um. Die meisten Strandhäuser waren leer und bereits winterfest gemacht worden. Ob sich in Delawares Haus jemand aufhielt, konnten sie von ihrem Standort aus nicht erkennen. Elena überprüfte ihre Waffe und steckte sie in das Gürtelholster zurück, das sie unter ihrem Kapuzenpulli trug.
Dominic überprüfte seine Glock ebenfalls. Die Gedanken, die er während der Fahrt hatte verdrängen können, stürzten nun mit aller Macht auf ihn ein. Einmal mehr wünschte er sich, allein hier zu sein. Oder zumindest nicht mit einer neuen Partnerin, die zwar eine Klugscheißerin, dafür ansonsten aber absolut grün hinter den Ohren war. Seit Jacks Tod war das die erste Situation, die der Schießerei, in die sie damals geraten waren, ähnelte. War es ein Wunder, dass ihm kalter Schweiß über den Rücken rann und seine Hände zitterten? Sie mussten zudem ein Objekt betreten, das sie beide nicht kannten. Das war nie ein Zuckerschlecken. Schon gar nicht mit einem Partner, den man nicht einschätzen konnte.
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