Flirt mit dem Tod
Schreibtisch. Dann nahm sie ihre Unterlagen zum ersten Mord, betrat den Vernehmungsraum und stellte sich Claire Johnson vor. »Ihr Verlust tut mir sehr leid.«
Claires Augen füllten sich mit Tränen, aber sie hielt sie zurück. Pete Johnsons Tochter schien eine starke Frau zu sein. »Ich bin erst heute Nacht in Boston eingetroffen«, setzte sie zu einer Erklärung an. »Mein Dad hat mich informiert, dass meine Mom im Krankenhaus liegt. Aber es war nicht leicht, von einer Jacht, die vor der Ostküste Australiens kreuzt, hierherzukommen. Jetzt bin ich da … und es ist zu spät. Mein Vater wollte mich nie weggehen lassen. Aber dieser Supermarkt war sein und Moms Leben. Ich fühlte mich darin immer eingesperrt. Man kann dort noch heute die Geister der Vergangenheit spüren.« Die junge Frau seufzte und hing einen Moment ihren Gedanken nach. »Tragischerweise geschah es genau dreißig Jahre nach dem ersten Mord.«
Elena fuhr ein Schauder über den Rücken. Sie blickte zu Josh, der nur leicht die Augenbrauen hochzog.
»Nach dem ersten Mord?«, fragte Elena.
Die blonde Frau runzelte die Stirn. »Wussten Sie das nicht? Ich dachte, deshalb wollten Sie mich sprechen.«
Elena schüttelte den Kopf. »Wir wollten wissen, ob Sie uns etwas zu den Lebensumständen Ihrer Eltern erzählen können. Mit wem verkehrten sie? Hatten sie Feinde? Solche Dinge.«
»Dad hatte keine Feinde. Er hat nicht einmal die Polizei gerufen, wenn er einen Ladendieb erwischte. Er war durch und durch ein guter Mensch.«
Josh lächelte freundlich. »Das entspricht genau dem, was wir von den Zeugen gehört haben, die wir bisher vernommen haben. Vielleicht können Sie uns erzählen, was es mit dem Mord auf sich hat, den Sie gerade erwähnten.«
»Am 5. Oktober 1979 wurde mein Großvater bei einem Raubüberfall im Supermarkt erschossen«, ließ Claire Johnson die Bombe platzen.
Elena warf Josh einen verständnislosen Blick à la ‚warum wissen wir nichts davon?‘ zu.
Er lehnte sich nachdenklich in seinem Stuhl zurück. »Wir haben in der Vergangenheit keinen Hinweis auf ein Verbrechen im Supermarkt Ihrer Familie gefunden. Allerdings reichen unsere Datenbanken keine dreißig Jahre zurück.«
»Was genau wissen Sie über den Mord an Ihrem Großvater?«, hakte Elena nach.
»Mein Großvater, Marc Dunaway, war damals sechsundfünfzig Jahre alt und der Besitzer des Marktes. Er hatte keine Probleme mit seinen Kunden, aber der Laden war immer lange offen. Das machte ihn wahrscheinlich zur Zielscheibe dieses drogensüchtigen Spinners. Der Typ kam zu Ladenschluss in den Markt und hielt meinem Großvater die Knarre vors Gesicht, ließ sich das Geld aus der Kasse geben, und das aus dem Tresor im Hinterzimmer. Und dann, nachdem er hatte, was er wollte, erschoss er ihn. Einfach so. Einen Schuss in die Brust und einen Schuss in den Kopf.«
Der gleiche Modus Operandi wie ihr Täter. »Wurde der Täter gefasst?«, fragte Elena.
»Ja. Er hieß Anthony Vionello. Soviel ich weiß, beging er damals noch andere Überfälle. Ich kenne die Geschichte nur aus den Erzählungen meiner Eltern. Er soll mehrfach Lebenslänglich bekommen haben und die in irgendeinem Knast absitzen. Meine Mutter war damals einundzwanzig. Sie führte den Supermarkt gemeinsam mit ihrer Mutter weiter. Als sie Dad kennenlernte, übrnahm er die Geschäfte und Mom konnte sich ein bisschen zurücknehmen. Sie litt sehr darunter, dass ihr Vater dort gestorben ist.« Erschöpft von dem Monolog trank Claire einen Schluck aus der Kaffeetasse, die sie mit beiden Händen umklammert hielt.
»Wissen Sie, ob damals eine Kundin eine Rolle gespielt hat?«
»Nein. Meines Wissens nach waren zum Zeitpunkt des Überfalls keine Kunden mehr im Laden.«
Elena zog ein Foto von Natasha Edwards aus ihrer Mappe und schob es über den Tisch. »Kennen Sie diese Frau?«
Claire studierte das Bild aufmerksam, dann schob sie es zurück und schüttelte den Kopf. »Nein. Nie gesehen.«
Das wäre ja auch zu schön gewesen. Elena legte das Foto zurück in die Akte. Als sie die Augen wieder hob, traf ihr Blick durch das Fenster des Vernehmungszimmers auf Dominic, der soeben das Department betrat. Er sah erschöpft aus und schien sie anzustarren – soweit sie das beurteilen konnte, weil er seine Sonnenbrille noch trug –, während Steve auf ihn einredete.
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Zeugin zu. »Gibt es sonst noch etwas, was Sie uns erzählen können?«
»Im Moment wüsste ich nichts.«
»Okay.« Elena
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