Flirtverdacht Roman
hervor: »Ashlyn? Was machen Sie denn hier?«
Und bevor ich überhaupt antworten konnte, riss sie die Augen weit auf, weil sie begriff. »Oh, mein Gott. Er hat nicht bestanden, stimmt’s? Deshalb sind Sie hier. Um es mir persönlich zu sagen.«
Ich lächelte nachsichtig und legte den Kopf auf die Seite. »Ist deine Mutter da?«, erkundigte ich mich, ohne auf ihre Frage einzugehen.
»Ich wusste es!«, war ihre einzige Antwort. »Ich wusste, dass er es tun würde!«
»Lexi«, warnte ich sie leise, »das ist nicht unbedingt der Grund, wieso ich hier bin. Ich möchte gerne mit deiner Mutter sprechen. Unter vier Augen.«
Sie sah mich verwirrt an. »Das verstehe ich nicht. Wieso können Sie mir nicht einfach sagen, ob er …«
Doch ganz plötzlich verstummte sie und erstarrte, während ihre Hand den Türknauf umklammerte.
»Lexi?«, ertönte eine Stimme hinter ihr. Eine zärtliche Stimme. Eine warme Stimme.
Eine ahnungslose Stimme.
Ich spürte, wie auch mein Körper sich anspannte. Ich mache das schon so lange, überbringe schon so lange schlechte Nachrichten, da sollte man meinen, dass mich nichts mehr aus der Ruhe bringen kann. Aber das hier … das war neu. Das war anders. Und deshalb war mein Herz völlig aus dem Takt gekommen. Als schlüge es zum ersten Mal und müsse erst noch den richtigen Rhythmus finden.
Dann erschien ein Gesicht. Es war sanft und feminin, umrahmt von schulterlangen, kastanienbraunen Locken. Und die Augen wirkten sanft und unschuldig. Schlimmere Augen kann man sich in so einer Situation gar nicht vorstellen.
Als ich Alice Garrett erblickte, konnte ich es kaum fassen. Sie war der absolute Gegensatz zu … meiner besten Freundin Zoë. Natürlich weiß ich, dass Nachbars Kirschen immer besser schmecken. Besonders, wenn es ums Fremdgehen geht. Und dieser Fall war ein ganz besonders krasses Beispiel.
Zoë war sarkastisch und frech und skeptisch. Sie setzte auf gewagte Kleidung und extravagantes Make-up. Diese Frau dagegen war schlicht und natürlich und strahlte eine beruhigende, gesunde Energie aus. Jemand, der von anderen Menschen immer nur Gutes denkt, selbst wenn man ihn mit Hohn bedacht hat.
Die beiden waren wie Tag und Nacht.
»Wer ist denn das?«, fragte Alice und sah ihre Tochter liebevoll an.
Doch zum ersten Mal, seit dieses Kind vor fast sechs Wochen in meinem Büro aufgetaucht war, schien es keine Antwort parat zu haben. Das überraschte wohl auch die Mutter, denn ihr entfuhr ein heiteres Lachen. Die schwarze, feuchte Nase eines Labradors drängte sich in die geöffnete Tür, kurz darauf gefolgt von einer weiteren, die einem kleinen Terriermischling gehörte.
Mrs Garrett schob die beiden Hunde mit dem Bein zur Seite und wandte sich an mich. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Ja, hallo«, sagte ich so höflich wie möglich, obwohl ich merkte, dass man mir meine Nervosität schon anhören konnte. »Ich bin eine Freundin von Lexi. Genau genommen hat sie mich vor ein paar Wochen um Hilfe gebeten, und ich würde gerne mit Ihnen darüber reden.«
Alice hob die Augenbrauen und sah ihrer Tochter fragend an. Lexi senkte den Kopf, um jeden Blickkontakt zu vermeiden, und nickte dann schließlich zaghaft.
»Ja, natürlich«, erwiderte Alice, bemüht, die unvermeidliche Neugier in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Kommen Sie doch rein.«
»Vielen Dank.« Ich trat vorsichtig über die Schwelle und wappnete mich gegen alles, das mich auf der anderen Seite erwartete.
Lexi folgte uns still ins Wohnzimmer und ließ sich auf einem Platz am anderen Ende der Couch sinken.
»Lexi«, sagte ich freundlich, »ich glaube, es wäre besser, wenn ich unter vier Augen mit deiner Mutter spreche.«
Sie sank auf dem Sofa zusammen und verschränkte die Arme. »Aber –«
»Lex …«, setzte ihre Mutter warnend an, beendete den Satz jedoch nicht. Der Tonfall allein reichte wohl schon, denn Lexi erhob sich widerwillig und ging aus dem Zimmer. Zweifellos würde sie an der Tür lauschen, also musste ich leise sprechen.
Ich rutschte näher an Alice heran. »Die Situation ist für mich etwas schwierig«, räumte ich ehrlich ein, während ich die Hände im Schoß verschränkte. Dieser unerwartete Rollentausch war mir vollkommen ungewohnt. Normalerweise war ich die Ruhige, diejenige, die alles unter Kontrolle hat, während die Person mir gegenüber, ob in meinem Büro oder bei ihr zu Hause, normalerweise nervös war und nicht still sitzen konnte. Doch ich musste jetzt ganz Profi bleiben. Ohne Rücksicht darauf,
Weitere Kostenlose Bücher