Flitterwochen
gibt nur soviele Aufgaben auf der Farm, die erledigt werden wollen.«
»Das wird auch immer so bleiben«, stimmte ihr Mann nachdenklich zu. »Deshalb ist es sinnlos, zu warten. Da die Lämmer jetzt alle auf der Welt sind, fangen wir lieber mit dem Haus an, bevor ich mich an die Zäune mache.«
Am nächsten Tag legten sie den langen Weg von fünfundvierzig Meilen in die Stadt zurück und gaben einen der Hochzeitsschecks für Tapeten und Farbe aus. Am nächsten Morgen stand Lee früh auf und verkündete, sie sei startbereit. »Nicht, daß ich jemals auch nur von weitem beim Tapezieren zugesehen hätte, aber es müßte eigentlich ganz einfach sein.«
Eine halbe Stunde genügte, um sie vom Gegenteil zu überzeugen, und um Andrew zu beweisen, daß seine Frau ausgesprochen ungeeignet zum Tapetenaufkleben oder Kleistermischen sei. Sie klatschte den Kleister mit verschwenderischer Großzügigkeit und unbekümmerter Hand auf, und als sie versuchte, die Papierbahnen hochzuheben, rollten sie sich, rissen, wickelten sich um ihre Beine und fielen gelegentlich als kleine Hügel auf dem Boden zusammen, während Lee aufgeregt erklärte, daß es nur am Kleister, dem Papier oder sogar an Andrew liege.
Das Schlimme war, daß sie sich plötzlich so für das Instandsetzen des Hauses begeisterte, daß man sie nur schwer ablenken konnte. Aber schließlich kam Andrew auf den Gedanken festzustellen, daß einer von beiden zum Vieh hinausreiten müßte, und er das wohl besser übernehmen würde. Sofort sagte Lee mit scheinbarem Zögern, aber heimlicher Erleichterung, daß sie ihm das jederzeit abnehmen könne, wenn er einverstanden sei, und als Andrew zusah, wie sie wegritt, überlegte er, daß eigentlich nichts schiefgehen konnte, da die Schafe ihre Lämmer hatten und das Schneiden und Scheren vorbei war, aber zumindest würde sie das außer Hause halten. Dann machte er ruhig und systematisch beim Tapezieren weiter.
In stillschweigendem Einverständnis wurde diese Absprache eingehalten, bis das Wohnzimmer und ihr eigenes Schlafzimmer tapeziert und angestrichen waren. Lee war von dem Ergebnis begeistert und bemerkte zufrieden, daß alles nur auf eine vernünftige Arbeitsteilung ankomme, und daß Andrew nie so schnell fertig geworden wäre, wenn sie nicht für das Vieh hätte sorgen können. Außerdem stand in ihrem Horoskop für jene Tage ganz deutlich, daß sie die weite freie Natur aufsuchen sollte.
Nachdem drei Zimmer sauber und ansehnlich waren, verlor Lee erneut jegliches Interesse an dem Haus und verbrachte die herrlichen Frühsommertage mit Andrew draußen.
»Vor allem müssen wir alles vom streng praktischen Standpunkt aus betrachten, und ich bin nützlicher, wenn ich dir die Latten halte, als wenn ich im Haus herumfuhrwerke. Warum sollen wir denn noch mehr Zimmer schrubben und polieren oder tapezieren, wenn sie doch niemand sieht?«
»Mit solchen Feststellungen fordert man das Schicksal heraus«, meinte Andrew grimmig, und schon am nächsten Tag, als Lee von ihren Einzäunversuchen unordentlich und ziemlich verschmiert zum Haus zurückritt, war sie erstaunt, vor der Türe einen eleganten Wagen und auf der Veranda eine elegant gekleidete Dame zu sehen, während ein schlankes, attraktives Mädchen verträumt die Aussicht betrachtete.
Du großer Gott. Mrs. Harvey mit Tochter, dachte Lee und wollte umkehren, um zu fliehen. Dann sagte sie bestimmt: »Unsinn. Du bist eine verheiratete Frau und kannst die Nachbarn nicht so behandeln«, und entschlossen ritt sie weiter. Als sie vom Pferd sprang und die Besucher etwas zu überschwenglich begrüßte, wurde ihr bewußt, daß sie auch diesmal nicht wie eine jungverheiratete Frau aussah. Ihre Reithosen waren in Ordnung, aber sie trug einen Pullover, den ihre Mutter schon einmal zum Untergang verurteilt, Lee dann später aber wieder aus dem Rote-Kreuz-Paket gerettet hatte. Er war verblichen und ziemlich eingelaufen, und in letzter Zeit war an einem Ellenbogen ein Loch sichtbar geworden.
»Ich muß Sie vielmals um Entschuldigung bitten«, sagte sie. »Gewiß sind Sie Mrs. Harvey. Warten Sie schon lange? Ich habe Andrew beim Einzäunen geholfen. Wir Farmerfrauen müssen uns wirklich mit allem auskennen, nicht wahr?« Letzteres sagte sie mit leichter Selbstgefälligkeit, die aber schnell in Bestürzung umschlug, als ein paar wildgewordene Hennen aus dem Schutz der Bäume stürzten und auf die Veranda flatterten, verfolgt von einem kleinen, ungefähr fünfjährigen Jungen und seiner
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