Flitterwochen
daß sie in einer geistigen Wüste Shakespeare spielt.«
Alle blickten überrascht. Dieser boshafte, sarkastische Ton war ganz ungewohnt bei Donald. Seine Mutter drehte sich vorwurfsvoll zu ihm um, aber Sally kam ihr zuvor, ihre Backen waren plötzlich gerötet, ihr Blick gereizt.
»Oh, ich würde es aber liebend gern machen, Mrs. Harvey. Das Publikum auf dem Lande ist so dankbar. Jedenfalls meistens. Ja, warum nicht Shakespeare? Wir haben schon viele Szenen aus den Komödien gespielt, und es wird großen Spaß machen, nicht wahr, Lawrence?«
Lawrence warf ihr einen verächtlichen Blick zu und stöhnte voller Mißbehagen. »Shakespeare in Ruru? Ach, du lieber Gott«, war alles, was er sagte.
Lee, die sich bisher von der Unterhaltung überfordert gefühlt hatte, wurde plötzlich ärgerlich. Wie konnte Lawrence es wagen, so zu reden? Er war sehr daran interessiert gewesen, in Ruru zu bleiben und die Gastfreundschaft aller zu genießen; jetzt sollte er auch etwas dafür tun. Am meisten erstaunte sie jedoch Sally — Sally, die noch vor kurzem so fest entschlossen war, sofort abzureisen, und die jetzt mit Mrs. Harvey die Vorzüge verschiedener Theaterstücke erörterte.
In fünf Minuten schien die ganze Angelegenheit beschlossen; Lees Gäste sollten das einheimische Publikum und viele Sommergäste unterhalten. Sie waren kaum außer Hörweite ihrer nachmittäglichen Gastgeberin, als alle über Sally herfielen. »Was ist in dich gefahren?« brummte Lawrence. »Bist du plötzlich verrückt geworden, Sally?« fragte sogar der geduldige Grant. Sally, deren Backen noch immer eigenartig gerötet waren, erwiderte nur, es sei Lees Schuld, sie hätte praktisch für sie ja gesagt.
Dieser Vorwurf weckte Lees Kampfgeist. »Das ist alles gut und schön für euch«, erklärte sie, »aber wir leben nun einmal hier, und wenn man uns bittet, bei irgend etwas mitzuwirken, so ist das eine Entscheidung, die uns angeht.«
»Kurz und gut«, kommentierte Lawrence scharf, »du verdienst dir Lorbeeren, indem du uns opferst?« worauf Lee heiter erklärte, daß er es endlich erfaßt habe.
Aber Sally machte ihr noch immer Kopfzerbrechen. Warum dieser Frontwechsel, dieser unerklärliche Eifer? Und plötzlich kam ihr schrecklich zu Bewußtsein, daß vierzehn Tage Vorbereitung nötig waren, wenn sie zur Unterhaltung des Publikums einen Kulturabend für Einheimische wie für Sommergäste, die Ruru jetzt überfluteten, veranstalten wollten, und daß ihre Gäste während dieser vierzehn Tage zwangsläufig bleiben würden, wo sie waren. Ja, sie hatte einen ziemlich schweren Fehler gemacht.
Aber trotzdem war es nicht nötig, dachte sie, daß Andrew so sehr darauf herumritt. Lee, die wußte, daß sie im Unrecht war, ging natürlich zum Angriff über. »Es ist doch nur deine Schuld, wärst du mit zu dem verfluchten Tennisspiel gekommen, hättest du dir eine Ausrede ausdenken können. Statt dessen überläßt du alles mir und brüllst mich dann noch an, wenn ich hetzen muß und einen kleinen Fehler mache. Außerdem war es Sally, die darauf drängte.«
»Einen kleinen Fehler? Ich möchte nur wissen, wie dann ein großer Fehler aussehen würde. Jetzt haben wir alle Gott weiß wie lange auf dem Hals. Ich würde gerne einmal wissen, ob keiner dieser Leute ein eigenes Zuhause hat. Und außerdem brülle ich nicht. Ich flüstere, verdammt noch mal.« Die letzten Worte sagte Andrew mit solcher Wut, daß Lee völlig sprachlos war und einen Augenblick lang nicht wußte, ob sie lachen oder weinen sollte.
Unnötig zu erwähnen, daß sie sich für Lachen entschied; sie verstand sogar sich zu rächen, indem sie noch am gleichen Abend Mrs. Harvey anrief, als sie sicher war, daß alle zuhörten. »Ich vergaß zu sagen, daß Andrew für eine der ernsten Rollen wirklich wie geschaffen wäre. Zum Beispiel Othello. Dafür hat er genau das richtige Gesicht.«
Andrews Verhalten war besonders dumm gewesen, überlegte sie noch, denn über eine Nachricht zumindest hätte er sich freuen können.
Während sie Tennis spielten, war der Arzt dagewesen und hatte Professor Meredith nach seiner eigenen Aussage erlaubt, aufzustehen und sich etwas zu bewegen. Sie fanden ihn angezogen auf dem Sofa sitzen, aber Tante Hester paßte unerbittlich auf.
»Er darf immer nur kurz aufstehen«, verbesserte sie streng. »Dr. West sagte, daß das Bein hoch liegen muß und sich der Patient so wenig wie möglich bewegen darf.«
Meredith lächelte traurig: »Schade, daß es Ihnen nicht gelungen
Weitere Kostenlose Bücher