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Flora Segundas magische Missgeschicke

Flora Segundas magische Missgeschicke

Titel: Flora Segundas magische Missgeschicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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und dann aus meinem Mund heraus. Es schmeckte nach Veilchen und wirbelte und verströmte kleine purpurfarbene Funken, wie Glühwürmchen. Der Boden des Schranks verschwand und wir fielen.
    Ich landete mit einem harten Aufprall, der aber durch irgendetwas Weiches gedämpft wurde. Das Weiche war – wie konnte es anders sein? – Udo, der fluchte und mich von sich stieß. Ich lag auf dem Rücken und atmete schwer. Über uns erkannte ich eine Decke, die mit tumultartigen Schlachtenszenen bemalt war: schreiende Pferde, aufspritzendes Blut, Wolken aus Kanonenrauch und hackende Schwerter.
    »Schweinebacke und Schandluder«, sagte Udo. Seine Stimme klang irgendwie komisch. »I glaube, du ast mir die Nase gebrochn.«

    Ich setzte mich auf. Es war gerade hell genug, um sehen zu können, dass Udos Nase ein kleiner Zapfen aus Blut war, aber ansonsten schien er unverletzt. Ich zog mein Taschentuch heraus, das schon leicht klebrig war, und legte Udo den Kopf in den Nacken. Nach ein paar Sekunden, während derer ich das Taschentuch auf seine Nase drückte und er unverständliche Worte grummelte, ließ die Blutung nach und wir konnten uns endlich umschauen.
    Das gräuliche Licht zeigte uns einen ausladenden Saal, ohne Möbel und ohne jegliche Verzierungen. An der einen Längsseite befanden sich Fenster, die vom Fußboden bis zur Decke reichten und den Blick auf eine bleiche, silbrige See freigaben. Wellen brachen aus der Dunkelheit heran und schlugen gegen die Fensterscheiben, als begehrten sie Einlass.
    Die gegenüberliegende Wand bestand aus einem einzigen Spiegel, der sowohl das perlige Wasser als auch die zerrupften Gestalten von Udo und mir reflektierte. Ein riesiger Kamin – groß genug, um ein ganzes Regiment darin zu rösten – thronte an der südlichen Wand; die Nordwand sank zu einem Orchestergraben ab.
    »Ich glaube, das ist der Ballsaal der Schlacht um Califa«, sagte Udo, »was eine gute Nachricht ist, weil er sich nicht weit vom Salon der Wohlhabenden Peinlichkeit befindet. Obwohl ich keine Ahnung habe, wie wir hierhergekommen sind. Wo hast du dieses Wort her, Flora?«
    »Es kam mir einfach in den Sinn. Komm schon, wir müssen weiter. Wir müssen uns dieses Verb holen und dann Flynn und Bonzo und dann raus hier.«
    »Jetzt kommt sie also zur Vernunft und hört auf den klugen Udo! Soll ich etwa meinen Hut zurücklassen? Ich liebe diesen Hut!«
    »Dein Hut ist ein Opfer des Krieges, Udo. Wir alle müssen Opfer bringen, und der Hut ist dein Opfer.«
    »Du bist ein harter Brocken, Flora Fyrdraaca«, sagte Udo, und dann grinste er ein tapferes kleines Grinsen, um mir zu zeigen, dass er sich gar nicht um den Hut scherte, dass er nur versucht hatte cool zu wirken. »Na komm. Diese Tür müsste eigentlich in den Korridor der Undefinierbaren Großherzigkeit führen, und von da aus ist es nur noch ein kleines Stück bis zu dieser Peinlichkeit.«
    Die Tür war geschickt in eins der Spiegelelemente am anderen Ende des Saals integriert. Auf eine leichte Bewegung meiner Hand hin öffnete sie sich und gab den Blick frei auf einen reich geschmückten Korridor, an dessen Wänden sich üppige Reben und dicht belaubte Zweige entlangzogen. Alles war trübe und verstaubt. Die Luft war rein; keine Spur von einem gefräßigen Faktotum.
    Mitten im Korridor fragte mich Udo mit einem Mal: »Hörst du Schritte?«
    In der Tat und nicht nur das: Mein Nacken fing wieder an zu prickeln wie zuvor. Ich ahnte, dass dieses Prickeln durch Paimon hervorgerufen wurde, der uns dicht auf den Fersen war.
    »Schnell, weiter!«
    Wir rannten. Vor uns endete der Korridor unter einem Bogen, von wo aus eine tunnelähnliche Treppe hinabführte. Die Stützpfeiler bestanden aus weißem Marmor, durchzogen von hellgrünen Streifen,
genauso wie die Wände, die sich zu einer niedrigen Decke emporwölbten. Wir stürzten uns hinab, immer weiter nach unten, zehn Stufen, zwanzig Stufen, fünfzig, hundert. Immer nach unten, tiefer hinein in das grünliche Zwielicht, das dem Marmor entströmte, ein kühles, wässriges Licht, wie kaltes Feuer. Dazu kamen der Geruch nach Salzwasser und das schwache Dröhnen der Brandung.
    Nini Mo sagt, dass man meistens dann am mutigsten ist, wenn man zu müde und zu hungrig ist, um noch Angst zu haben. Wenn Erschöpfung und Hunger die Kennzeichen für Tapferkeit waren, dann war ich der tapferste Mensch, der je gelebt hatte. Aber ich fühlte mich gar nicht tapfer. Ich fühlte mich krank und verloren, als ob man mich bei einem Hagelsturm auf

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