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Flora Segundas magische Missgeschicke

Flora Segundas magische Missgeschicke

Titel: Flora Segundas magische Missgeschicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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als bei allen anderen und sie tragen ihre Nase höher als der Rest der Armee.
    Verflixt. Trotz Valefors Imbiss war ich am Verhungern. Und ich hatte mich gnadenlos abgehetzt, hatte nicht einmal meine Kleidung gewechselt. Ich war mir sicher gewesen, dass ich zu spät kommen würde, und jetzt: keine Mama, kein Futter, nichts. Beeil dich und warte, sagt meine Mutter immer, so ist es in der Armee. Wenn man mich fragt, ist das einfach nur unhöflich.
    »Ich warte in ihrem Büro.« Ich huschte an ihm vorbei, ehe er mir widersprechen konnte, und zog Flynnie von dem Spucknapf weg, an dem er herumschnüffelte. Das Ge bäude Nr . 56 ist schon seit Ewigkeiten das Hauptquartier der Armee und daher ist es vollgestopft mit allen möglichen Kriegsandenken und Porträts alter Soldaten. In den Korridoren stehen Schränke voller Beutestücke und an den Wänden hängen verblichene Fahnen. Glücklicherweise muss ich hier nicht Staub wischen.
    Das Büro der Generalin ist groß und hat riesige Fenster, die auf den Paradeplatz hinausgehen. Dort stehen ihr Tisch und ein paar Stühle, daneben ein hartes Sofa, gestopft mit Pferdehaar, und an den
Wänden ein Regal neben dem anderen, die alle bis zur Decke mit Ordnern vollgestellt sind. Eine Armee kämpft zwar auf den Beinen, sagt meine Mutter, aber sie marschiert auf Papier. Hier war der Beweis dafür, auf Millionen von Seiten.
    Um mich dafür zu entschädigen, dass ich warten musste, setzte ich mich an Mamas Tisch und fing an zu stöbern. Zwei versiegelte Pakete lagen auf der Schreibunterlage und warteten darauf, dass die Generalin sie öffnete. Ich beachtete sie gar nicht. Pakete in diesem Format enthalten zumeist nur die langweiligsten Unterlagen, die man sich vorstellen kann, wie etwa Anforderungen für Maultierhufeisen, eine Inventarliste über verfügbare Wolldecken, Berichte über aufsässige Pferde und aufsässige Sergeanten, alles in dreifacher Ausfertigung und dreimal gefaltet. Sie sind das Messer nicht wert, mit dem man das Siegel erbricht. Der Spender mit dem roten Klebeband war gefüllt, und ich schnitt mir ein paar Meter davon ab und steckte es in meine Tasche. Aus rotem Klebeband ließen sich hervorragende Schnürsenkel machen.
    Die linke untere Schreibtischschublade ist meistens verschlossen, aber das hatte mich noch nie aufgehalten – eine kleine Haarnadel und ein kleines Klicken und Mamas Geheimvorrat lag offen vor mir: eine Tafel dunkler Schokolade. Ich machte mir ein kleines Schokosandwich und warf Flynnie einen Keks in den Schlund. Das erste Sandwich war so lecker, dass natürlich ein zweites folgen musste. Danach legte ich die erheblich geschrumpfte Tafel Schokolade in die Schublade zurück, die ich wieder verschloss.

    Draußen dröhnte die Abendkanone. In ihrem Donner ertrank das Getröte der Blaskapelle, die unsere Hymne spielte, während die Fahne eingeholt wurde. Die Uhr im Korridor schlug sieben und mein Bauch grummelte laut, trotz der beiden Schokosandwichs. Wo blieb Mama bloß? Ich spähte aus dem Fenster. Die Fahnenwache war abmarschiert und ein Soldat bewegte sich langsam entlang des Weges und entzündete die Lampen. Die Bucht hatte sich zu einer schwarzblauen Samtdecke verdunkelt und in den Fenstern der Büros gingen die Lichter an, während oben am Himmel ein Stern nach dem anderen aufblitzte.
    Die Schokolade machte meinen Mund braun und klebrig, doch in Mamas Sideboard standen nur Kristallglasflaschen mit Fruchtsirup und Whiskey, und das Zeug brennt eher, als dass es den Durst löscht. Mama trinkt nicht, aber ich vermute, dass die Gastfreundschaft es erfordert, solche Tropfen auf Lager zu haben.
    Ein langer schmaler Korridor verläuft über die gesamte Länge des Gebäudes Nr. 56. Der Boden ist wie polierte Seide. Man kann toll darauf schlittern, wenn man sich auf einen Ordner setzt, aber wenn jemand die Tür öffnet, während man auf dem Boden entlangsaust, wird man ins Hospital verfrachtet und muss mit zehn Stichen an der Stirn genäht werden. Glaubt mir, ich weiß, wovon ich spreche.
    Der Wasserspender stand am Ende des Korridors, neben der Hintertür, die offen war, Mamas ausdrücklicher Anweisung zum Trotz, die Zugluft verabscheut. Zwei Gestalten saßen auf der Hintertreppe, eingehüllt in Zigarrenrauch, ebenfalls trotz Mama, die
allen befohlen hatte, mit dem Rauchen aufzuhören, als sie es selbst tat. Leise schlich ich durch den Korridor. Die Stiefel hatte ich vorher ausgezogen und im Büro gelassen. Anschleichen ist eine Sache der Übung, und außerdem

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