Flora Segundas magische Missgeschicke
Nr. 101), und wenn ich etwas perfekt beherrsche, dann die Ablösung eines Siegels.
Die Unterschrift des Warlords erwies sich jedoch als größeres Problem, als ich gedacht hatte. Seine Buchstaben sind sowohl zittrig als auch gut lesbar und diese beiden Eigenschaften zu verbinden, ist ziemlich schwierig. All meine Versuche resultierten in wackeligen Krakeleien, aber kein einziger davon hätte einer Begutachtung standgehalten, auch nicht im Dunkeln. Auch Udo versuchte es, mit dem gleichen Ergebnis, was keine Überraschung war.
»Gib her, lass mich noch mal«, verlangte ich.
»Ich habe es gleich, Flora. Stütz dich nicht auf mich.«
»Wir haben keine Zeit mehr …«
»Aber nur, weil du so drängelst«, sagte Udo.
»Hör auf zu meckern …«
»Was macht ihr da?«, erkundigte sich eine Stimme.
Schuldbewusst fuhren wir zusammen. Im Türrahmen stand Poppy. Er trug einen abgetragenen Bademantel und die kurzen Haare standen ihm verklebt vom Kopf ab. Das Trauerband über seinen Augen war verschmiert, als ob er an der Farbe gerieben hätte. Auf seiner rechten Schläfe blühte ein riesiger blauer Fleck, so dunkel wie eine Gewitterwolke.
»Brauchst du etwas, Poppy?«, fragte ich.
Er kam ins Zimmer und setzte sich auf das Sofa,
womit er unsere kostbare Zeit verschwendete. »Nur mein Leben. Aber ich glaube nicht, dass ich das bei dir vergessen habe. Was macht ihr denn da?«
»Nichts, ich meine, nur Hausaufgaben«, sagte ich. »Hast du Hunger, Poppy? Wir haben noch Suppe. Ich kann dir Suppe warm machen.«
»Von Suppe tun mir immer die Zähne weh, Flora. Außerdem ernähre ich mich von Luft.« Er saß da, lässig und zufrieden, und es sah nicht danach aus, als ob er in nächster Zeit wieder aufstehen wollte. Verflixt und zugenäht! Wir hatten keine Zeit, um mit Poppy ein Schwätzchen zu halten, und er ist so unberechenbar. Er wirkte ruhig, wenn auch ein bisschen zerknittert, aber dieser Eindruck konnte täuschen. Jeden Moment konnte er aus der Haut fahren; vielleicht war sein Getöse letzte Nacht nur eine Vorbereitung auf einen weit größeren Ausbruch gewesen. Der Schürhaken hing außerhalb seiner Reichweite. Was sollte ich tun, wenn Poppy plötzlich explodierte?
Aber er sah wirklich nicht so aus, als ob er in die Luft gehen würde. Er kratzte sich am Kinn und sagte: »Fälschungen, so, so. Hat man Fälscher nicht früher in heißem Öl gesotten?«
»Das ist keine Fälschung«, winkte Udo ab. »Nur ein Kunstprojekt. Ich meine, es ist eine Arbeit über …«
Poppy gähnte und nahm ein silbernes Etui aus der Tasche seines Bademantels. »Ich bin kein Holzkopf, Udo. Ich erkenne einen Fälschungsversuch, wenn ich ihn sehe. Was schreibt ihr denn? Ein Empfehlungsschreiben? Einen Bobtail? Einen Marschbefehl? Einen Trompetensprung?«
Ein Bobtail ist der untere Abschnitt des Entlassungspapiers
für einen Soldaten, in dem die Beurteilung steht. Was ein Trompetensprung war, wusste ich nicht und im Augenblick wollte ich es auch gar nicht wissen.
»Ein Entlassungsschreiben, Heißsporn, das ist alles. Nur ein Entlassungsschreiben«, sagte Udo. »Hier, bitte schön.«
Meinen wütenden Blick nicht beachtend, hielt Udo einen Kienspan ins Kaminfeuer und entzündete damit Poppys Zigarre. Udo ist, was Poppy angeht, zu nachlässig, weil er Poppy noch nicht in Aktion erlebt hat. Außerdem hat er völlig normale Eltern. Udo begreift nicht, wie schlimm Poppy sein kann.
»Jemand sitzt im Kittchen?«, fragte Poppy.
Ich funkelte Udo an und versuchte, ihm auf telepathischem Weg einzuschärfen, dass er kein weiteres Wort mehr sagen und den Mund halten solle, aber ich erkannte an seinen Mundwinkeln, die sich zu einem Lächeln verzogen, dass er für meine geistigen Befehle völlig unempfänglich war.
»Ayah, der arme Kerl«, sagte Udo.
»Er hat mein Mitgefühl. Das Leben ist ein Gefängnis, wenn man es nicht leben kann, wie man will. Es sieht nicht so aus, als hättet ihr Erfolg mit eurer Fälschung. Ihr habt schon eine Menge Papier vergeudet. «
»Nun, es braucht ein bisschen Übung«, gab Udo zu.
Der Rauch umwaberte Poppys Kopf wie Nebel und ich konnte nur seine schmalen Lippen erkennen. »Ich war früher ziemlich geschickt mit der Feder. Das ist ein nützliches Talent in jeder Beziehung, die Fälschung meine ich. Man kann seinem Vorgesetzten
viel Arbeit ersparen, wenn man die Papiere selbst unterzeichnet. Und wenn man es raffiniert anstellt, zahlt ein anderer die Zeche beim Saufgelage. Mal schauen, ob ich es noch draufhabe.«
In meinem
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