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Flowertown - Die Sperrzone

Flowertown - Die Sperrzone

Titel: Flowertown - Die Sperrzone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.G. Redling
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Schweiß von der Oberlippe wischte, nahm ihr Plan Gestalt an. Im Büro war es nicht sonderlich heiß, und der Wachmann war nicht mehr aufgeregt. Sie hob weitere Kisten mit Akten aus dem Regal hinter ihr und baute sie zu Zweier-und Dreiertürmen auf, hoch genug, um die Sicht zu versperren, aber nicht so hoch, dass es so aussah, als habe sie etwas zu verbergen. Sie wühlte durch die Kisten, dabei murmelte und fluchte sie, als suche sie nach etwas Unauffindbarem. Nach und nach schuf sie so eine ungeordnete Reihe, die sehr nah an die rote Farbe heranreichte. Sie wusste, dass der Wachmann die rote Line im Auge behielt, aber so lange sie kein Interesse daran zeigte, die Line zu überqueren, zeigte er auch kein Interesse an ihr. Abgesehen davon, beschäftigte ihn ohnehin etwas anderes, so wie er sich die trockenen Lippen leckte: Ihm war übel.
    Ellie stand wieder auf, stemmte die Hände in die Hüften und starrte um sich, als sei sie über das Chaos und ihr Versagen verärgert. Sie nahm eine Akte und ging zu einem Aktenschrank,der näher an dem Wachmann stand. Dort angekommen, legte sie die Akte oben auf den Schrank und kramte in einer der Schubladen herum.
    Der Wachmann schwitzte wirklich stark. Sein ursprünglich rotes Feno-Security-T-Shirt war nun dunkelkastanienrot und hob sich deutlich von seiner Haut ab. Seine dichten, dunklen Locken glänzten, und er bemühte sich, still, tief und gleichmäßig zu atmen. Sie kannte diese Anzeichen. Entweder hatte man die Dosis seiner Abwehrmedikamente erhöht, oder er war neu in Flowertown. Egal wie, seine Haut verriet deutlich das Übelkeitsgefühl, das er zu vertuschen suchte, und Ellie wusste, was sie zu tun hatte.
    Zuerst eine Zigarette. Sie nahm eine Akte aus der geöffneten Schublade und schlug sie auf, legte sie über die anderen Akten und zündete sich eine Zigarette an, während sie vorgab, zu lesen. Sie achtete sorgfältig darauf, den Rauch über ihre Schulter in Richtung des Wachmanns zu blasen.
    Dann nahm sie eine dicke Akte aus der Schublade und gab wiederum vor, zu lesen, während sie langsam zurück zu ihrem Schreibtisch schlenderte und dabei kräftig an der Zigarette zog. Als sie dem Wachmann nah genug gekommen war, hielt sie an, um sicherzugehen, dass der Rauch ihm auch wirklich voll ins Gesicht ziehen würde, und tat so, als sei sie tief in ihre Lektüre versunken. Der Wachmann gab sich alle Mühe, weiterhin gleichmäßig zu atmen.
    Niemand hatte jene ersten Tage in Flowertown vergessen können. Das HF-16 machte jeden krank, manche so krank, dass sie sich nicht davon erholten. Die, die Glück hatten und die erste Verseuchungswelle überlebten, mussten im Anschluss die erste Generation der Entseuchungsmedikamente über sich ergehen lassen. Selbst wenn sie hundert Jahre alt werden sollte,würde Ellie nie die wabernde, nervenaufreibende Übelkeit und Kotzerei vergessen, die sie und alle um sie herum heimgesucht hatte. Als die Einwohner von Flowertown sich dann so weit wie möglich an die Medikamente gewöhnt hatten, hatte es ihnen eine fragwürdige Schadenfreude bereitet, dabei zuzusehen, wie sich die ankommenden Militärs, Ärzte und Geschäftsleute nur unter Qualen an ihre gleichermaßen grauenhafte Diät aus Abwehrmedikamenten anpassten.
    Es kam häufig vor, dass Leute untereinander Wetten abschlossen, welcher Soldat oder Missionar oder Bauarbeiter sich nach entsprechender Stimulation zuerst würde übergeben müssen. Einen Flowertown-Frischling so lange zu reizen, bis er brechen musste, hatte sich, ebenso wie das fehlerfreie Pinkeln in einen Becher, unter vielen Langzeiteinwohnern zu einer hochgeschätzten Fähigkeit entwickelt.
    Der Soldat wedelte den Rauch weg, und Ellie schaute auf und tat so, als sei sie bestürzt. »Oh, das tut mir leid, stört Sie der Rauch?«
    »In der Archivverwaltung ist das Rauchen verboten.« Er schaute sie nicht an, und sie konnte erkennen, dass die einzelnen Schweißtropfen an seiner Schläfe sich mittlerweile zu einem stetigen Strom vereint hatten.
    »Ach so, ja, ich weiß.« Sie blies eine weitere Rauchwolke aus. »Aber niemand achtet wirklich darauf. Es gibt so viele Regeln, da fallen die kleinen durchs Raster, verstehen Sie?« Ohne gute Lüftung waberte der Rauch in Schwaden um ihn herum, und sie sah, dass er heftig schlucken musste. »Aber wenn Sie das stört, dann rauche ich nicht weiter.«
    »Das würde ich sehr begrüßen, Madam.«
    »Stört es Sie, wenn ich die hier noch aufrauche?« Sie nahm einen tiefen Zug und ließ die

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