Flowertown - Die Sperrzone
finden, und sie hatte Rachel versprochen, auf sie zu warten. Ellie lehnte sich an den hohen Empfangstresen der Station. So konnte sie die Frau hinter dem Tresen auf sich aufmerksam machen und gleichzeitig die Seiten noch tiefer in ihre Hose stopfen.
»Wartest du auf Rachel?« Eine junge Frau in einem pinkfarbenen Kittel lächelte zu ihr hoch. »Wir haben sie alle so gern. Ich finde es ist fantastisch, dass ihre Detoxkur so gut läuft.«
»Ich auch. Sie muss hier wirklich raus.«
»Wer muss das nicht?« Die junge Frau beugte sich über ihre Tastatur. »Ich bin seit achtzehn Monaten hier. Bäh. Noch sechs Monate, und ich bin weg.«
Ellie stützte sich auf ihre Ellbogen und starrte auf die junge Frau. »Echt? Achtzehn Monate?«
Die Rezeptionistin merkte erst jetzt, dass sie mit einer Einheimischen sprach und ihr Gesicht lief dunkelrot an. Sie begann eine mühsame und merkwürdige Ausrede, die wahrscheinlich alles noch viel schlimmer gemacht hätte, aber mit einer Handbewegung brachte Ellie sie zum Schweigen.
»Ich suche nach jemandem.« Die junge Frau nickte. Sie war erleichtert, dass sie mit ihrem Gestotter aufhören konnte. Sie legte ihre Finger auf die Tastatur.
»Name?«
»Logan. Martha Logan.«
Die junge Frau tippte und blickte dann auf den Bildschirm. »Ja, sie wurde gestern Nachmittag eingeliefert. Verbrennungen, Atembeschwerden.« Missmutig blickte sie weiter auf den Bildschirm. »Hier steht, dass sie in einer Sicherheitszelle liegt.«
»Was bedeutet das?«
Die junge Frau zuckte mit den Achseln. »Kann sein, dass sie unter Arrest steht. Vielleicht ist sie in Quarantäne. Oder jemand hat seine Verbindungen spielen lassen, und sie hat ein Einzelzimmer bekommen. Es wird nicht deutlich.«
»Also kann ich sie besuchen?«
»Hm-hm.« Sie machte ein besorgtes Gesicht und blickte hoch zu Ellie. »Nur, wenn du eine Feno-Freigabe der Klasse Vier hast. Hast du die?«
»Nein.« Ellie konnte die Erleichterung auf dem Gesicht ihres Gegenübers sehen und wusste, dass sie gerade eben als unwichtig eingestuft worden war. »Kannst du mir wenigstens sagen, wie es ihr geht?«
Die Empfangsdame tippte pointiert auf die Tasten und zog schnippisch ihr Kinn ein. »Nein.«
Ellie schloss ihre Augen. Da bist du ja wieder, alte Freundin, dachte sie. Tief unten in ihrer Wirbelsäule braute sich die altbekannte, rasende Wut zusammen und ließ ihre Fingerspitzen kribbeln. Sie brannte nicht so heiß wie früher und schoss auch nicht mehr so schnell durch ihre Adern, aber Ellie würde dieses Gefühl in jeder Situation wiedererkennen. Sie atmete dreimal tief ein, öffnete ihre Augen und lächelte.
»Vielen Dank für deine Hilfe.«
Ellie ging zurück zu Rachels Zimmer. Es war egal, wie sehr die Schwestern lächelten und wie oft sie Rachel auf die Schulter klopften. In den Augen dieser Frauen, dieses sogenannten »Pflegepersonals«, waren Rachel und Ellie, waren Marvin Delmuth, seine Schwiegertochter sowie all die anderen netten Leute, die in diesen Räumen gelitten hatten, nichts weiter als befleckte Bürger zweiter Klasse. Sie verkörperten eine zeitlich befristete Aufgabe auf einer To-do-Liste, die abgearbeitetwerden musste, und dafür ließ Feno Geld auf ihre Konten fließen. Die zwei Jahre Dienst in Flowertown waren nur ein kleiner Abschnitt in den gesammelten Abenteuern ihrer Leben, eine lukrative Anekdote, die sie ein ums andere Mal zum Besten würden geben können, wenn sie wieder in ihre eigentliche Realität zurückgekehrt sein und ihre sauberen, unbefleckten Leben weit ab von der stinkenden Jauchegrube Flowertown wieder aufgenommen haben würden.
Ellie musste sich bremsen, um die Tür zu Rachels Zimmer nicht einzutreten. Drei tiefe Atemzüge, und sie klopfte sacht an.
»Komm herein. Ich bin angezogen.« Rachel saß auf der Bettkante. Sie war blass, und ihr Haar dunkel vor lauter Schweiß. Ellie sah, dass ihre Haut, dort wo die Krankenschwester sie geschrubbt hatte, ganz rot war.
»War es sehr langweilig für dich?«
»Nein, alles gut.« Mit verschränkten Armen lehnte sich Ellie gegen die Wand, während eine Schwester in grünem Kittel ein Formular ausfüllte.
»Alles gebongt soweit, meine Süße.« Die Krankenschwester lächelte Rachel an, und Ellie konnte sich nur mühsam davon abhalten, der Schwester den Stuhl direkt in den Bauch zu treten. »Die Blutproben sind auf dem Weg ins Labor. Ich drücke die Daumen, dass alles eins a läuft. Wir rufen dich heute Abend an und lassen dich wissen, wann du deine Unterlagen
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