Fluch der Engel: Roman (German Edition)
mich, den schwachen Engelnovizen zu spielen, und leistete nur wenig Gegenwehr. Ohne Anti-Ohnmachts-Kapsel konnte sie mir ihren Willen so oder so aufzwingen. Und vor ihren Füßen bewusstlos zusammenzubrechen schien mir keine besonders gute Alternative.
Doch die Dogin ging gar nicht so weit. Kurz nachdem sie meinen anfänglichen Widerstand gebrochen hatte, gab sie sich zufrieden. In ihren Augen war ich ein leicht zu bezwingendes Opfer.
»Sanctifer war nicht meine erste Wahl, als wir ein neues Ratsmitglied benötigten. Und ich muss gestehen, dass ich seine Möglichkeiten falsch eingeschätzt habe«, begann sie, mich zu umgarnen. »Du könntest mir von großem Nutzen sein.«
Ich heuchelte Überraschung. Doch mir war klar, dass mehr hinter dem plötzlichen Interesse der Dogin steckte.
»Ich brauche Unterstützung, wenn ich gegen ein Ratsmitglied bestehen will, das mir zwei meiner Racheengel gestohlen hat.«
Ich glaubte zu ersticken, als die Dogin meine schlimmste Befürchtung bestätigte: Christopher war bei Sanctifer! Wut mischtesich mit Verzweiflung. Ich musste hier raus. Zu Christopher. Sofort!
Mein Verstand meldete sich und warnte mich davor, eine Dummheit zu begehen. Auch wenn die Dogin auf den ersten Blick eher harmlos als mächtig wirkte, war sie nicht grundlos zum obersten Engel ernannt worden. Vielleicht hatte sie gelogen, um mich zu ködern.
Ich schloss die Augen und gab vor, mich aufs Flügeleinziehen zu konzentrieren, damit sie nicht sehen konnte, wie hilflos ich meinen Gefühlen für Christopher ausgeliefert war. Sie würde jede Schwäche ausnutzen, die ich ihr offenbarte. Ich sollte ihr Interesse lieber von mir auf Sanctifer lenken.
Die Dogin kam mir zuvor. »Da Christopher sich seinem einstigen Mentor angeschlossen hat, erwarte ich von dir, dass du einen Teil seiner Aufgaben übernimmst.«
»Und welchen genau?«
Die Dogin zog ihren Umhang fester. Sie ließ mich nicht aus den Augen, als sie zu erklären begann. »Die Seele eines Engels verleiht enorme Stärke, weil sich Seelenenergie summieren kann. Mir als dem höchsten Engel des Rats ist es in einem begrenzten Ausmaß erlaubt, mir diese Macht anzueignen. Allerdings brauche ich dazu einen Racheengel«, – der in der Lage ist, sein Schattenwesen anzunehmen, ergänzte ich. »Bislang hat Christopher diese Aufgabe übernommen.«
Mein Blick verschwamm, als sich Bilder von Christopher vor meinem inneren Auge abzeichneten. Er stand an der Seite der Dogin und entriss einem Engel die Seele. Niemals!, rief mein Innerstes. Sie log!
Ich schwieg und verbarg mein Entsetzen.
»Denn ich kann Sanctifer nur dann besiegen, wenn ich über genügend Macht verfüge. Bis zu meinem nächsten Besuch solltest du wissen, auf welcher Seite du stehst«, verabschiedete sie sich. Beim Hinausgehen warf sie mir noch ein warnendes Lächeln zu, das keinen Zweifel daran ließ, dass ich niemals wieder das Tageslichterblicken würde, falls ich mich ihren Wünschen nicht beugen sollte.
Als die Tür ins Schloss fiel, begann sich die Welt um mich herum zu drehen. Anstelle von Gabriellas Klauen sah ich meine in Massimos Herz stecken. Meine Gier, seine Seele zu besitzen, war unfassbar mächtig gewesen. Nur meine Angst, diesem Wunsch nachzugeben, war stärker. Doch ich wusste, dass ich es tun würde, wenn ich Christopher damit retten konnte.
Tagträume gaukelten mir grauenhafte Bilder von Christopher und mir als Schatten vor. Zwei machthungrige Monster, die unschuldigen Engeln die Seele raubten und sich danach gegenseitig zerstörten.
Weshalb war Christopher nicht bei mir auf der Insel geblieben? Warum hatte er mich alleingelassen, wenn er mich liebte?
Tränen der Wut und Enttäuschung brannten in meinen Augen. Was, verdammt noch mal, plante Christopher? Wollte er tatsächlich Gabriellas Seele retten? Er wusste so gut wie ich, was Sanctifer aus ihm machen würde. Aber vielleicht war ich ja nicht der einzige Racheengel, der sich gegen seinen Tutor behaupten konnte. Ein Fünkchen Hoffnung erwachte in mir, das mein nächster Gedanke sofort wieder erstickte.
Gab es für Christopher einen anderen Grund, zu Sanctifer zu gehen? Denselben, den ich verspürte, wenn ich an Massimos Verwandlung dachte? Mich schauderte bei der Vorstellung, dass er dasselbe Verlangen nach einer Engelseele empfinden könnte wie ich.
Das Klicken des Schlosses meiner Kerkertür riss mich aus meinen düsteren Gedanken. Das Auftauchen des Racheengels ließ mir das Blut in den Adern stocken. Sich seiner Autorität
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