Fluch der Hestande
wird es verstehen«, widersprach Fryll. »Von ihr hörten wir die Geschichten über ALLUMEDDON und die Helden, die eines Tages wiedergeboren werden, und die nun in den Kerkern der Düsternis schmachten. Gefällt dir die Welt, wie sie ist… ohne Sonne… ohne Wärme…?«
Garnoth schüttelte stumm den Kopf.
»Wenn es gelänge, diese Helden zu befreien…«
»Gäbe es nur einen neuen Kampf«, unterbrach ihn Garnoth.
»Ja. Aber Aegyr-Land könnte vielleicht wieder so werden, wie es war… voller Sonne und Leben. Ich glaube, daß Mythor einer dieser Helden ist. Ich bin fast sicher. Ich werde diese Chance nicht begraben. Und du wirst es auch nicht. Und wenn die kalten Reiter kommen und dafür den Wald zerstören…« Er hielt inne und blickte mit grimmiger Entschlossenheit auf Mythor und Garnoth. »Dann nur, weil ihnen Leben nichts bedeutet! Es könnte morgen oder übermorgen aus einem anderen und geringeren Anlaß geschehen!«
Garnoth antwortete nicht, aber er zitterte.
»Sie hatten seine Spur noch nicht. Hogun kam nur, um zu drohen«, fuhr Fryll fort.
»Sie werden sie bald haben. Sie kriegen immer, was sie wollen!«
»Nicht wenn wir klug sind. Ich beschwöre dich, klug zu sein!«
»Wenn eure Magie so mächtig ist«, warf Mythor ein, »wißt ihr keinen Zauber gegen die Furcht?«
Die beiden schütteln den Kopf. »Es gibt keinen Zauber gegen die Furcht, außer man wollte die Gefahr verleugnen und sich selbst betrügen…«
Mythor seufzte. »Ich glaube, daß euer Mundwerk wesentlich größer ist als eure Magie«, stellte er fest. »Ich weiß zumindest einen Zauber, der die Sorgen wenigstens für eine Weile unwichtig erscheinen läßt. Und morgen hat man schon mehr Abstand und denkt mit weniger Schrecken an alles…«
Er lehnte sich vor und nahm Fryll die hölzerne Flasche aus den Händen. Er öffnete sie, wie er es bei Fryll gesehen hatte. Dann sah er sich um nach Schalen, entdeckte aber keine leeren. Garnoth war auch nicht sehr hilfreich, er starrte lediglich auf die Flasche in Mythors Händen. So setzte Mythor die Flasche an die Lippen und nahm einen tiefen Schluck. Anerkennend schmatzend reichte er sie Garnoth, der sie nahm und einen fragenden Blick auf Fryll warf. Fryll zuckte nur die Schultern und machte es sich bequem. Ein Gelage bahnte sich an, und er fand sich damit ab. Mythor grinste. Er hieb dem Schrat auf die Schulter. »Es war trotzdem ein guter Gedanke«, sagte er. »Ich weiß deine Hilfe zu schätzen. Morgen gehen wir nach Rithumon und suchen diesen Kelch der Erinnerung.«
Garnoth setzte hustend die Flasche ab, und Fryll nahm sie ihm eilig aus der Hand.
»Hestandes Kelch?« entfuhr es Garnoth. »Ihr wollt zu Hestandes Schloß?«
Fryll trank und nickte zustimmend. »Erfüllt dich das auch mit Entsetzen?«
»Nein. Nein!« Sein knorriges Gesicht war plötzlich höchst lebendig, und Mythor nahm an, daß es vom Beerenfeuer herrührte, denn er selbst fühlte sich wie von neuem Leben durchströmt, und auch Fryll lockerte sich merklich.
Aber Garnoth war zudem noch Feuer und Flamme, nach Rithumon zu gehen und sich im Schloß der Hestande umzusehen – eine Neugier, die ihm, wie er sagte, schon lange keine Ruhe ließ.
Er wußte eine ganze Menge über Rithumon. Das Gebiet war einst vor ALLUMEDDON Besitzung der Aegyr-Dame Hestande te Jegy gewesen. Sie hatte dort ihr Lustschlößchen errichtet und ausgelassene Feste gefeiert. Es ging immer hoch her dabei, und Sinnenlust war dabei das geringste der Vergnügen. Sie besaßen wohl auch so etwas wie Frylls Beerenfeuer und andere Mittel, die Geist und Seele öffneten. Hestande und ihre Freunde suchten nach Selbsterkenntnis und nach verlorenen Dingen, wie nach Liebe, Unschuld, Jugend, Mut, Kraft, verlorenen Träumen, verblaßten Erinnerungen. Wenn solch ein Fest dem Höhepunkt zustrebte, dann weinte Hestande Tränen der Freude und der Lust. Und wer von ihren Tränen trank, der wußte plötzlich alles über sich – Vergessenes und noch gar nicht Entdecktes, ob ihm die Wahrheit gefiel oder nicht.
Natürlich war Hestande längst verschwunden wie alle Aegyr, aber hartnäckig hielt sich das Gerücht, daß sich der Kelch noch in den Ruinen des Schlosses befand und sich auf wunderbare Weise immer wieder mit ihren Tränen füllte.
»Du siehst, es ist nicht mehr als ein Gerücht«, schloß Garnoth. »Also erwarte nicht zuviel. Es könnte sein, daß selbst Hestandes Zaubertränen keine Wahrheit für dich haben, Mythor, denn dein Geist ist leer. Ich habe einen tiefen
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